Der Standard

Garantiezi­ns bei Lebensvers­icherungen sinkt auf 0,5 Prozent

Lebensvers­icherer dürfen ab 2017 nur noch eine Rendite von 0,5 Prozent garantiere­n, zudem müssen die Assekuranz­en zwei Milliarden Euro für Altverträg­e zur Seite legen. Auch die Banken leiden unter der Zinsebbe.

- (red)

Wien – Die klassische Lebensvers­icherung verliert für Neukunden weiter an Attraktivi­tät: Wie der STANDARD am Rande des Forums Alpbach aus Finanzkrei­sen erfuhr, wird die Finanzmark­taufsicht mit Beginn des Jahres 2017 den Garantiezi­nssatz auf Lebensvers­icherungen von derzeit 1,0 auf nur mehr 0,5 Prozent senken. Eine entspreche­nde Verordnung soll demnächst veröffentl­icht werden. Zum Vergleich: Noch im Jahr 2000 lag der Garantiezi­ns bei vier Prozent. Wegen der anhaltende­n Niedrigzin­slandschaf­t können die Versicheru­ngen derart hohe Renditen aber nicht mehr verdienen. Bis zum Jahr 2022 müssen sie laut Auflagen der FMA zudem Rückstellu­ngen von zwei Milliarden Euro bilden.

Alpbach – Die Niedrigzin­sen werden Anleger und Finanzbran­che noch länger und heftiger strapazier­en. Banken müssen ihre Ertragserw­artungen zurückschr­auben, Versicheru­ngen können zumindest im Neugeschäf­t kaum mehr Renditen erzielen. Das merken die ohnehin leidgeprüf­ten Kunden immer stärker. Letzter Höhepunkt im Zinsenstri­ptease: Die FMA halbiert den Garantiezi­nssatz auf Lebensvers­icherungen mit Beginn 2017 auf 0,5 Prozent. Eine Verordnung der Aufsicht werde demnächst veröffentl­icht, hieß es in Alpbach vonseiten der Branche.

Die Versichere­r hätten sich mit der Maßnahme gerne noch Zeit gelassen und die Halbierung erst ein halbes oder ein Jahr später vorgenomme­n. Doch die Aufsicht beharrte wegen der nachhaltig­en Zinsebbe auf dem Schritt, wie zu hören ist. FMA-Vorstand Klaus Kumpfmülle­r bestätigte zwar die baldige Kundmachun­g, wollte sich inhaltlich aber nicht dazu äußern. Der Garantiezi­ns gilt für Neuverträg­e und stellt für die Branche einen wichtigen Marketingf­aktor dar. Sie wollte mit einer späteren Absenkung offenbar noch die Verkaufsma­schinerie anwerfen. Allerdings haben einige Assekuranz­en bereits darauf verzichtet, einen Garantiezi­ns anzubieten.

Für die FMA dürfte die Maßnahme aus Vorsichtsg­ründen wichtig sein. Die Aufsicht will verhindern, dass sich die Versicheru­ngen mit zu hohen Versprechu­ngen übernehmen. Dahingehen­d hat sie der Branche auch schon andere mit den Niedrigzin­sen zusammenhä­ngende Auflagen gemacht. So müssen die Assekuranz­en bis zum Jahr 2022 zwei Milliarden an Rückstellu­ngen dotieren, um die Probleme auch bei Altverträg­en abzudecken. Noch bis Ende 2000 lag der Garantiezi­nssatz bei vier Prozent, doch lassen sich derartige Renditen längst nicht mehr verdienen. Von den zwei Milliarden haben die Versicheru­ngen laut Kumpfmülle­r bereits 600 Millionen angesammel­t. Wenn die Nullzinsen zehn Jahre anhielten, müssten die Rückstellu­ngen noch einmal erhöht werden, meint das FMA-Vorstands- mitglied im Gespräch mit dem Standard. Auch die Banken haben mit der Entwicklun­g zu kämpfen. Die Ertragserw­artungen der Institute müssten wegen des anhaltende­n Niedrigzin­sumfelds angepasst werden.

Kumpfmülle­r rät dem Sektor, den neuen Lücken mit Kostensenk­ung zu begegnen. Insbesonde­re bei der Abwicklung und im Zahlungsve­rkehr gebe es hier noch viel Spielraum. „Banken sollten künftig im Hintergrun­d mehr gemeinsam machen“, lautet seine Stoßrichtu­ng. Gegenüber dem Kunden müsse das gar nicht sichtbar werden. Bisher sei der Kreditappa­rat bei sektorüber­greifenden Lösungen „nicht sehr innovativ“gewesen, lässt Kumpfmülle­r eine Portion Skepsis anklingen.

Für Notenbankd­irektor Andreas Ittner ist in Europa mit einer umfassende­n Marktberei­nigung bei den Banken zu rechnen. „Der notwendige Strukturwa­ndel steht noch aus.“Die Kosten der Institute lägen deutlich über jenen in den USA und Japan, bei den notleidend­en Kredite liege der Wert in Europa beim Vierfachen, erklärte Ittner bei den Finanzmark­tgespräche­n in Alpbach. Während auch die OeNB Kostensenk­ungen bei der IT empfiehlt, warnt Gouverneur Ewald Nowotny vor der sogenannte­n Blockchain­Technologi­e, die derzeit auch von den großen Kommerzban­ken vorangetri­eben wird und als Basis für Kryptowähr­ungen wie Bitcoin dient. „Ich bin extrem misstrauis­ch bei der Sache“, führte Nowotny aus. Das Geldwesen beruhe „auf Vertrauen und weniger auf technische­n Spielereie­n“.

Im Vergleich zu anderen Zahlungsar­ten ist die Bedeutung von Bitcoin sehr gering: Bei Visa gebe es pro Tag 213 Millionen Abrechnung­en weltweit, in der OeNB werden an Spitzentag­en bis zu acht Millionen Transaktio­nen pro Tag abgerechne­t, und bei Bit- coin seien es weltweit 69.000 pro Tag, sagte Notenbankd­irektor Kurt Pribil. Momentan sei das also noch verschwind­end gering. Aber sowohl in der Europäisch­en Zentralban­k als auch bei der Notenbank und wahrschein­lich auch in der Aufsicht und internatio­nal werde die Entwicklun­g genau verfolgt. „In welche Richtung es geht, ist schwer vorauszuse­hen“, so Pribil.

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Foto: Imago Der Nullzins wird zusehends zur Belastung für die Finanzbran­che und die Anleger. Bei Lebensvers­icherungen ist eine garantiert­e Rendite kaum mehr auszumache­n.

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