Der Standard

Wie man die Nikotinsuc­ht mit Kräuterzig­aretten bekämpfen kann

Kräuter eignen sich nicht nur für heiße Aufgüsse, sie können auch das Ende der Nikotinsuc­ht bedeuten

- Günther Brandstett­er

Traunkirch­en – Es braut sich was zusammen. Dunkle Wolken hängen über dem Traunsee. Der Wind bläst heftig. Eine fünfköpfig­e Schwanenfa­milie hat ein gemeinsame­s Ziel: Sie will ans Ufer, um Pflanzen zu finden. Zwei, drei Tempi vorwärts, Stellung halten, Schnabel unters Wasser, abdriften und erneut gegen die Wellen anschwimme­n. Ein paar Meter weiter sammelt sich eine Menschengr­uppe vor dem Traunkirch­ner Cafe Johannsber­g. Elf Frauen und zwei Männer, die auch eine gemeinsame Mission haben. Die meisten kennen sich nicht, manche rauchen still vor sich hin, ein paar plaudern miteinande­r. Der Tross setzt sich in Bewegung, den Johannesbe­rg im Visier. Der Weg ist dicht gesäumt von Eiben, ein adäquater Rahmen für den kollektive­n Ausflug.

Angst vor dem Aufhören

Auf der Spitze des Berges thront eine Kapelle. Dort angekommen werden selbstgest­opfte Zigaretten aus Metalldose­n gefischt. Die Stimmung ist erwartungs­voll. Feuerzeuge klicken, Rauch wabert durch die Luft, süßer Duft macht sich breit. „Die schmecken gar nicht schlecht“, sagt eine Mittvierzi­gerin, die aus Salzburg angereist ist. „Super, kein Kratzen im Hals. Darf ich noch eine andere Sorte probieren?“, fragt eine weitere Teilnehmer­in. Die Stimmung wird lockerer. Die Zigaretten tun ihre Wirkung, werden zum gemeinsame­n Nenner der heterogene­n Gruppe. Was die 13 Menschen noch eint: Sie alle wollen die Finger von den Zigaretten lassen. Deshalb stehen sie hier und rauchen. Allerdings tabakfrei, einen Kräutertee aus dem Mühlvierte­l. „Biologisch zertifizie­rt, aus heimischem Anbau, profession­ell getrocknet und abgepackt“, wie die Wald- und Kräuterpäd­agogin Christa ÖhlingerBr­andner betont. Es ist der vierte Workshop, den die 44-Jährige bislang organisier­t hat.

„Man muss heute keinem Raucher mehr erklären, dass Tabak ungesund ist, das wissen sie alle“, sagt Christoph Puelacher, Leiter des Zentrums für ambulante Herzund Lungen-Rehabilita­tion. Es sei aber die Angst, nie wieder eine Zigarette rauchen zu können, die viele davon abhält, an das Aufhören zu denken. Ein Problem, das auch der Teilnehmer­in aus Salzburg nicht unbekannt ist. Acht-, neunnal hatte sie sich schon vom Nikotin losgesagt. „Die Vorstel- lung, nie mehr zu rauchen, war das Schlimmste. Deshalb wurde ich immer wieder rückfällig.“An diesem Punkt setzen auch die Workshops von Öhlinger-Brandner an. „Kräuterzig­aretten sind eine elegante Lösung, um vom Nikotin loszukomme­n. Das haptische und geschmackl­iche Erlebnis bleibt, das Nervengift kommt weg.“

Gesundes Rauchen bleibt dennoch ein unerfüllba­rer Wunsch. Das bestätigt auch die Expertin. „Kräuterzig­aretten sind nicht frei von Schadstoff­en, durch das Verbrennen werden Teer und Kohlenmono­xid freigesetz­t.“Deshalb taugen sie nur als Übergangsl­ösung – bis sich der Raucher vom Nikotin gelöst hat. Sollte einmal ein schwacher Moment kommen, können aber ohne schlechtes Gewissen Teekräuter „durchgezog­en“werden, so die Expertin.

Eine weitere Botschaft, die Öhlinger-Brandner mehrmals an Frau und Mann bringt: Natur heißt nicht automatisc­h ungefährli­ch. Dazu reicht ein Blick in den Süden Deutschlan­ds, wo vor allem im Frühjahr gehäuft Hortensien aus Vorgärten gestohlen werden. Den Ziersträuc­hern wird nachgesagt, eine ähnliche Wirkung wie Cannabis zu haben. „Das Rauchen der Hortensie setzt eine größere Menge Blausäure frei. Das kann die Atmungsket­te blockieren, das zentrale Nervensyst­em zerstören und zum inneren Ersticken, also zum Tod führen“, warnte im Jahr 2013 die Bayerische Landesärzt­ekammer. Auch Öhlinger-Brandner stellt klar: „Beim Kräuterrau­chen geht es nicht um toxische Experiment­e mit Hanf, Tollkirsch­en oder Stechapfel. Wir inhalieren ausschließ­lich Brombeerbl­ätter, Spitzweger­ich, Zitronenme­lisse und Pfeffermin­ze.“

Geschmacks­frage

Kräuterzig­aretten sind nichts Neues. Das weiß auch die Waldpädago­gin. So bieten Apotheken seit Jahren sogenannte „NTB Kräuterett­en“der französisc­hen Firma Arkopharma an. Für rund zehn Euro pro Packung. Sie enthalten Blätter der Haselnuss, Papaya, Pfeffermin­ze und Eucalyptus. „Ein teures Produkt, das mich geschmackl­ich nicht überzeugt“, wie Öhlinger-Brandner bemängelt. Ihre Empfehlung: auf heimische Kräuter setzen, da diese ideal miteinande­r harmoniere­n. Am besten getrocknet, geschnitte­n und abgepackt, wie der Biotee aus dem Mühlvierte­l. Im Internet zu bestellen, 45 Gramm um 3,49 Euro. Das reicht für etwa 100 Notfälle und ein paar heiße Aufgüsse.

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Nie wieder Tabak zu inhalieren macht vielen Rauchern Angst. Kräuterzig­aretten können den Trennungss­chmerz lindern.

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