„Drei bis zwölf Monate gratis wohnen, wenn der
WKÖ-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich und AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka haben oft unterschiedliche Ansichten, im Streitgespräch konnten sie sich aber auf ein neues Befristungsmodell einigen.
Standard: Erst sah es nach einer Einigung zwischen SPÖ und ÖVP beim Mietrecht aus, später offenbarten sich doch noch fundamentale Differenzen. Wird das noch was mit SPÖ und ÖVP? Rosifka: Kommen wird auf jeden Fall etwas. Bei den Mietervertretern herrscht große Einigkeit, aber bei den Vermieter-Interessensorganisationen herrschen unterschiedliche Interessen vor. Das Absurde: Teile der ÖVP bzw. Immobilien-nahe Gruppen bekämpfen das Richtwertsystem vor dem Verfassungsgerichtshof, andere Teile sagen, es ist eh super. Ulreich: Ein großer Wurf wird’s nur, wenn dieses Mietrecht in der Lage ist, mehr Angebot zu schaffen. Die Mieten werden nur sinken, wenn wir mehr Wohnungen zusammenbringen. Das Problem gibt’s übrigens nur in Wien, wo der Richtwert zu niedrig ist. Warum muss der um 40 Prozent niedriger als der von Graz sein? Das ist gleichheitswidrig. Standard: Ist das heute für Sie die Wurzel allen Übels? Ulreich: Ja. Heute vermietet Wiener Wohnen seine Kategorie-AGemeindewohnungen zum Richtwert. Das geht sich aber auch dort nicht aus, die müssen ihre Verluste aus dem Budget abdecken. Als privater Vermieter kann ich das aber nicht. Rosifka: Die Frage ist, ob sich nicht ein Mietsystem schaffen lässt, das Investitionen ins Haus belohnt. Ulreich: Es muss einen Anreiz geben, zu sanieren. Ich darf heute ohne Wohnbauförderung und ohne Lagezuschlag nur sechs Euro netto verlangen. Mit 50 Prozent Wohnbauförderung sind’s plötzlich acht Euro, und wenn ich eine gemeinnützige Bauvereinigung bin, sogar zwölf Euro. Aber freifinanziert bin ich limitiert mit dem Richtwertzins. Wenn ich acht oder neun Euro verlange, ohne Förderung, bin ich ein Verbrecher. Rosifka: Zivilrechtlich ja. Aber sechs Euro ist nicht die Grenze. Die ergeben sich, nachdem Sie den Befristungsabschlag abgezogen haben. Acht oder neun Euro sind’s bei den geförderten Sanierungen. Das ist unseres Erachtens nach natürlich auch nicht sachgerecht. Ich glaube, dass es völlig falsch ist, dass man die Baukosten in 15 Jahren refinanziert haben muss. Das sind Dinge, die 40 Jahre lang halten, das Dach, neue Steigleitungen etc.
Standard: „Schuld“ist da aber das Förderregime. Ulreich: Na ja, nach 15 Jahren muss halt die Fassade wieder gemacht werden. Die Sache ist aber die: Ich habe 2000 Euro Sanierungskosten pro Quadratmeter, die muss ich netto finanzieren. Ich gehe zur Bank, die sagt: In einer Gegend ohne Lagezuschlag darf ich 5,60 Euro verlangen, wenn man das kapitalisiert, ist das Objekt 1500 Euro pro Quadratmeter wert. Die Bank muss mit dem gesetzlichen Mietzins rechnen. Ich bekomme also nur zwei Drittel, somit 1000 Euro pro Quadratmeter, finanziert, brauche aber 2000. Wenn ich aber befristet vermiete, gilt es wie eine Eigentumswohnung, und das Ganze ist nicht 1500, sondern plötzlich 3000 Euro/m² wert. Wegen der Befristung krieg’ ich also die Finanzierung. Standard: Wäre das einfacher, wenn die Zuschläge auf den Richtwert klarer wären, weil sie im Gesetz stehen? Ulreich: Ja, aber die Preisregelungen funktionieren nicht. Ich kann nicht einen Markt, wo es zehntausende Anbieter und hunderttausende Nachfrager gibt, preisbestimmen. Ich bekenne mich auch zur Preisregelung. Wohnungen in schlechtem Zustand kann man preisregeln. Aber Neubauten oder sehr gut sanierte Altbauten sollen frei vermietet werden können. Rosifka: Dann bräuchte man aber zuerst einmal ein Mietrechtssystem, das tatsächlich funktioniert. Jetzt ist das eine WischiwaschiLösung.
Standard: … bei der viel zu viele Gutachter im Spiel sind. Herr Ulreich, wie oft brauchen Sie derzeit einen Gutachter? Ulreich: Jedes Mal. Also: jedes Mal, wenn die Miete bekämpft wird. Mein Vorschlag wäre: Wenn man mit einer Sanierung einen Heizwärmebedarf (HWB) von maximal 60 kWh erreicht, sollte man marktüblich vermieten dürfen.
Standard: Wieso gerade 60? Ulreich: Das ist bei einem Gründerzeithaus grundsätzlich machbar. HANS JÖRG ULREICH (49) ist geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH und seit 2010 Bauträgersprecher des Fachverbands der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich. Der studierte Betriebswirt bekam bereits zahlreiche Auszeichnungen für seine vorbildlichen Sanierungen und Ausbauten von Wiener Dachgeschoßen.