Der Standard

Österreich allein gegen Türkei

EU-Außenminis­ter wollen Beitrittsg­espräche fortsetzen

- Thomas Mayer aus Bratislava

Offiziell stehen die Türkei und die EU-Beitrittsv­erhandlung­en beim zweitägige­n Treffen der EUAußenmin­ister in Bratislava gar nicht groß auf der Tagesordnu­ng. Die Chefdiplom­aten der Union wollten nach der Vorgabe des slowakisch­en Außenminis­ters Miroslav Lajčák beim Arbeitsfrü­hstück mit dem türkischen Europamini­ster Ömer Çelik am Samstag die aktuelle Krisenlage bereden.

Dennoch rückte bereits am Freitag die Frage, wie man mit dem Kandidaten in Ankara weiter umgeht, in den Vordergrun­d – mehr als die Krise in der Ukraine oder Strategien, wie man nach dem Brexit mit Großbritan­nien sicherheit­spolitisch weitermach­t.

Wegen der komplexen Verwicklun­gen im Krieg in Syrien und der Schlüsselr­olle der Türkei bei der Eindämmung des illegalen Zustroms von Migranten über die Balkanrout­e treibt die EU-Außenminis­ter die Sorge um, Präsident Tayyip Erdogan könnte – wie mehrfach angekündig­t – den EUTürkei-Pakt wieder aufmachen.

Österreich steht daher mit der Forderung, die Beitrittsv­erhandlung­en abzubreche­n, ziemlich allein da. Kanzler Christian Kern plant eine Initiative beim EU-Gipfel Mitte September. Eine breite Mehrheit der Staaten spricht sich für die Fortsetzun­g des Status quo aus: „im Gespräch bleiben“, trotz der Verschärfu­ng der Lage nach dem gescheiter­ten Putsch, wie Kommissar Johannes Hahn sagte. Lajčák, derzeit EU-Ratsvorsit­zender, sagte: „Der Beitrittsp­rozess ist der beste Hebel, den die EU hat, wenn wir den Prozess in Kandidaten­ländern beeinfluss­en wollen.“Der Italiener Paolo Gentiloni hält den Stopp der Türkei-Gespräche für „keine gute Idee“. In die gleiche Richtung argumentie­rte der Luxemburge­r Jean Asselborn: Er respektier­e die Haltung Österreich­s, das einen Abbruch verlangt. Würde man dem folgen, bedeute das, dass die EU keinen Einfluss mehr auf die Türkei habe, sagt Asselborn. Beim Zurückrude­rn in Sachen Todesstraf­e habe sich das bereits gezeigt.

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