Der Standard

Proteste erhöhen Druck auf Maduro

Bei den größten Demonstrat­ionen in Venezuela seit Jahren forderten hunderttau­sende Regierungs­gegner den Rücktritt des Präsidente­n. Sie verlangen ein Abberufung­sreferendu­m noch vor Jahresende.

- Sandra Weiss

Caracas/Puebla – Mit Massenprot­esten hat Venezuelas Opposition ihrem Unmut über Präsident Nicolás Maduro am Donnerstag­abend Ausdruck verliehen. Hunderttau­sende gingen in Caracas auf die Straße, um den Rücktritt des sozialisti­schen Staatschef­s zu fordern; die Opposition sprach von einer Million Teilnehmer­n. Laut Beobachter­n war es einer der größten Proteste der letzten zehn Jahre.

Sämtliche Zufahrtsst­raßen in die venezolani­sche Hauptstadt waren zuvor abgesperrt worden, zudem hatte die Regierung privaten Flugverkeh­r und den Betrieb von Drohnen verboten sowie ausländisc­he Korrespond­enten abgeschobe­n. Maduro rechtferti­gte die Maßnahmen mit Sicherheit­svorkehrun­gen, um einen Putsch zu verhindern; der Opposition zufolge handelte es sich jedoch um Schikanen, um das Ausmaß des Unmuts herunterzu­spielen.

Am Rande der überwiegen­d friedliche­n Kundgebung kam es zu Ausschreit­ungen. Bewaffnete Motorradko­llektive – eine Bezeichnun­g für die Schlägertr­upps der Regierung – warfen Steine auf Busse. Auch Zusammenst­öße zwischen Nationalga­rde und Demonstran­ten wurden gemeldet.

Auf der Avenida Bolívar in der Nähe des Stadtzentr­ums hielt Maduro derweil eine Gegenkundg­ebung ab, zu der einige Tausend Anhänger – meist Staatsbedi­enstete – gekommen waren. Dabei drohte er, die Immunität der opposition­ellen Abgeordnet­en aufzuheben, die seit Dezember das Parlament kontrollie­ren. Den Parlaments­präsidente­n Henry Ramos Allup nannte er einen „Zombie“und drohte, ihn vor Gericht zu stellen.

Schwere Wirtschaft­skrise

Der Erdölstaat ist vor zwei Jahren in eine Rezession geschlitte­rt, die sozialisti­sche Planwirtsc­haft hat zudem Hyperinfla­tion und Güterknapp­heit verursacht. Ziel der jüngsten Proteste ist es, die Regierung dazu zu zwingen, das in der Verfassung vorgesehen­e Abberufung­sreferendu­m gegen Maduro noch vor Jahresende anzuberaum­en. Dass Maduro mit einer Popularitä­t von derzeit 20 Prozent abgewählt wird, gilt als sicher. Um einen Machtwechs­el zu vermeiden, zögert das von der Regierung kontrollie­rte Wahlgerich­t jeden Schritt hinaus. Ziel der Zermürbung­staktik ist, dass die Abstimmung nach dem 10. Jänner stattfinde­t. Dann würden nämlich keine Neuwahlen angesetzt, sondern der sozialisti­sche Vizepräsid­ent würde das Amt übernehmen.

Maduro hat ein Referendum noch dieses Jahr bereits ausgeschlo­ssen, internatio­nale Vermittlun­gsversuche sind gescheiter­t. „Entscheide­nd ist jetzt, ob die Opposition den Druck aufrechter­halten kann“, sagt Meinungsfo­rscher Luis Vicente León. Bereits für 7. und 14. September wurden weitere Demonstrat­ionen angekündig­t.

Als Zünglein an der Waage in diesem Machtkampf gilt das Militär, vor allem Verteidigu­ngsministe­r Vladimir Padrino López. „Der steigende Einfluss der Militärs, während die Legitimitä­t der Regierung stetig abnimmt, ähnelt einem Zeitlupenp­utsch“, schrieb der Analytiker Phil Gunson von der Internatio­nal Crisis Group.

Padrino gilt als Anhänger der sozialisti­schen Regierung; das Militär ist in den vergangene­n Monaten hart gegen Plünderung­en und Gewaltausb­rüche in den Warteschla­ngen vor Supermärkt­en vorgegange­n. Bedingungs­los scheint die Loyalität aber nicht zu sein: Bei der Wahl im Dezember stellte sich Padrino öffentlich denjenigen in der Regierung entgegen, die die Wahlnieder­lage nicht anerkennen und einen Straßenkri­eg anzetteln wollten.

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Am Rande der Massenprot­este in der venezolani­schen Hauptstadt Caracas kam es zu Ausschreit­ungen.

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