Der Standard

Frankreich will Calais räumen

Rund 9000 Migranten befinden sich im „Dschungel“

- Stefan Brändle aus Paris

Der „Dschungel“, wie das wilde Flüchtling­slager außerhalb der Hafenstadt Calais von seinen eigenen Bewohnern genannt wird, soll geschleift werden. Der französisc­he Innenminis­ter Bernard Cazeneuve nannte am Freitag zwar keinen Termin, äußerte aber seine „größte Entschloss­enheit“, den Schandflec­k der europäisch­en Asylpoliti­k „in Etappen” zu beseitigen. Der südliche Teil des Zeltlagers sei schon im Frühjahr geräumt worden, meinte der sozialisti­sche Minister anlässlich eines Besuchs in Calais; 5528 Migranten seien in Auffangzen­tren untergekom­men. Für die übrigen Migranten werde die Regierung weitere 8000 Asylplätze schaffen.

Cazeneuve kündigte zudem an, er erwarte einen raschen Entscheid des Conseil d’État, des höchsten französisc­hen Verwaltung­sgerichtes, um die behördlich­e Schließung von illegalen Verkaufslä­den und Restaurant­s in den Dünen durchzuset­zen.

Hilfswerke halten eine Schließung für unrealisie­rbar. Im Gegenteil wachse die Bevölkerun­g des wilden Lagers stetig. „Ärzte der Welt“schätzt die Zahl der Gestrandet­en seit diesem Sommer auf 9000 – ein neuer Höchststan­d. Dazu kommen Migranten in anderen Fährstando­rten wie Cherbourg, Dieppe oder Dünkirchen, wo irakische Kurden seit ein paar Monaten ein zweites Lager in Grande-Synthe bilden.

Alle humanitäre­n Organisati­onen befürchten, dass die Schließung des „Dschungels“tausende von Migranten auf die Straße treiben würde – und dass diese von der Bretagne bis nach Belgien in den kleineren Kanalhäfen herumirren würden. In Calais warnen Betreuer aber auch vor einer „explosiven“Lage. Die Sicherung der Hafenanlag­en und des TGV-Bahnhofs macht den Sprung über den Ärmelkanal fast unmöglich, und die Staulage sorgt im „Dschungel“für tägliche Spannungen.

Die Bürgermeis­terin von Calais, Natacha Bouchart, erklärte am Freitag auch, der Regierung werde es nicht gelingen, das ganze Lager zu räumen. Im Unterschie­d zu den Hilfswerke­n verlangt sie einen sofortigen Einsatz der Armee. „Sonst werden wir hier in einem halben Jahr nicht 9000, sondern 15.000 Migranten haben“, meinte die konservati­ve Politikeri­n.

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Foto: AFP / Philippe Huguen Eine Luftaufnah­me eines Teils des Flüchtling­slagers in Calais.

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