Fidhcheall in Timsgearraidh
Kleiner Sommerausflug an den nordwestlichen Rand Schottlands. Von ruf & ehn
Von hier aus, denkt man sich, könnte man schnurstracks bis New York schwimmen – hätte man den Mut, überhaupt ins Wasser zu steigen. Es ist kalt, das Wetter ist schottisch. Doch die Luft ist klar, und wenn sich der Regen einmal verzogen hat, ist die ganze Welt ein herrliches Spiel aus Licht und Wolken.
Die Lewis Islands erreicht man von Glasgow – schottisch-gälisch Glaschu – aus mit dem Flugzeug oder am besten mit der Fähre von Uig auf der Isle of Skye. 1831 wurden an einem Strand der Hebrideninsel nahe Timsgearraidh in einem Sack 78 Schachfiguren aus Walrosszahn gefunden, die berühmten Lewis-Chessmen aus der Mitte des 12. Jahrhunderts; ein Teil der Figuren steht heute im British Museum in London, der andere im historischen Museum in Edinburgh. Auf Lewis gibt es noch Dörfer, in denen im Alltag die schottische Variante des Gälischen gesprochen wird. Schach heißt hier fidhcheall, König righ, die Dame bainrìgh. Den Rest (Brot, Hilfe, Regenschirm) müssen Sie sich selbst beibringen.
Schach hat auch auf dem schottischen Festland lange Tradition. Edinburgh verfügte über einen eleganten Schachklub, der Wettkämpfe mit englischen Klubs austrug, die Northern Uprights, schlichte, aber sehr praktische Schachfiguren, die im 19. Jahrhundert mit dem heute gängigen Staunton Set konkurrierten, stammen von hier. Auch wenn ein Schachspiel durchaus zur Grundausstattung des Scotch Sitting Room gehört, ist das Niveau der Amateure nicht sonderlich hoch. Man kann sich wehren,
doch Achtung: Die Kinder von Robert the Bruce und Rob Roy MacGregor verlieren nicht gerne. Und mit den enormen Mengen Öl haben sie ihr National- und Selbstbewusstsein neu entdeckt.
Stärkster Schachspieler ist heute der 47-jährige Großmeister John Shaw aus Irving, die bekanntesten sind jedoch Autoren, die sich um den rührigen Verlag Quality Chess in der Bothwell Street in Glasgow versammelt haben. Der erste international bekannte Schachspieler Schottlands war George Henry Mackenzie (1837–1891) aus Aberdeen. Mackenzie war Berufssoldat und verbrachte Jahre in Irland und Indien. 1861 quittierte er seinen Dienst, zog nach London und ersetzte das Schlachtfeld durch das Schachbrett, auf dem er rasch viel größe-
re Erfolge erzielen konnte. 1863 schlug er bereits George MacDonnell, emigrierte in die USA und nach einem erneuten kurzen Zwischenspiel als Mitglied der Northern Army entwickelte sich Mackenzie in den 1870erJahren zum stärksten Schachspieler Amerikas und zu einem der stärksten seiner Zeit. „In ihm“, schreibt Steinitz in seinem International Chess Magazine 1891 in einem Nachruf, „verbanden sich Geradlinigkeit und Leidenschaft mit höflicher Gewandtheit.“Hier der Schotte auf seinem besten Niveau gegen Joseph Henry „Black Death“Blackburne.
Blackburne – Mackenzie London 1882
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 Die schottische Eröffnung, die erstmals im Wettkampf Lon-
don gegen Edinburgh 1824 angewendet wurde. 3… exd4 4.Sxd4 Lc5 Das klassische Abspiel. 5.Le3 Eine Falle, denn es droht 5.Sxc6 nebst Lxc5 mit Figurengewinn. Schlägt Weiß 5.Sxc6, folgt der Zwischenzug 5… Df6. 5…. Df6 6.c3 Sge7 7.Sc2
Später spielte man häufiger 7.Lc4, um d7-d5 zu verhindern. 7… Lb6 Schwarz nimmt natürlich nicht auf e3, wonach der weiße Springer einen idealen Standplatz bekäme. 8.Sba3 Dg6 Nimmt g2 und e4 aufs Korn.
9.f3 Sd8 Dieser Springer soll über e6 zentralisiert werden. Interessant war das aggressive 9... f5!? 10.exf5 Sxf5 11.Lxb6 axb6 12.De2+ Kd8 13.0–0–0. 10.Dd2 Zu weißem Vorteil führte 10.Sb5 0–0 11.Lxb6 Dxb6 12.Dd4. 10... Se6 11.Sc4 d6 12.Sxb6 axb6 13.Lc4 0–0
14.g4?! Der Beginn eines riskanten Plans. Weiß plant die lange Rochade und Angriff am Königsflügel. Ein ruhigeres Leben hatte er nach 14.0– 0. 14... Sc6 15.0–0–0 Noch immer konnte Blackburne mit 15.Sb4 die Gefahren
bannen. 15... Se5 16.Le2 Sc5
17.Lxc5 bxc5 18.f4 Sc6 Zu riskant wäre 18… Sxg4?! 19.f5. 19.f5 Df6 20.g5? Unbeirrbar stürmt Black Death vorwärts, doch jetzt war es höchste Zeit, mit 20.Kb1 einen Sicherungszug einzuschalten. 20... De5 21.Lf3 Txa2 22.Kb1 Ta7 23.Se3 Zä
her war 23.h4. 23... Sa5?! Nach 23... Df4 gewann Schwarz entscheidend Material. 24.Sg4 De7 25.Dg2 Gefährlicher sieht 25.Thg1 mit der Drohung f5-f6 aus.
25... Kh8 Ja nicht 25... Dxg5? 26.h4 Dd8 27.Sh6+ Kh8 28.Tdg1 Df6 29.Sg4 Dd8 30.Sh6 mit remis. 26.f6 De6 Mackenzie muss die Partie zum zweiten Mal gewinnen.
27.fxg7 Kxg7 28.Td5 Um der Dame den Weg abzuschneiden. Stärker war jedoch 28.Dh3 mit Gegenspiel. 28...
Sc4 29.Df2? Ein Fehler in verlorener Stellung, doch gegen De8-a4 war nicht mehr viel zu machen (wenn 29.Ld1 Ld7 nebst Tfa8). 29... Dxd5!! Captain Mackenzie zaubert einen Mattangriff aufs Brett! Plötzlich ist Weiß rettungslos verloren. 30.exd5 Lf5+ 31.Dc2 Der einzige Zug, jedoch:
31... Ta1+! Nicht um des schnöden Damengewinns wegen, sondern um den König in einem Mattkäfig festzusetzen. 32.Kxa1 Lxc2 und 0-1 wegen 33… Ta8 matt.