Der Standard

„Mit meinungsfr­eiem Journalism­us“

Der Schweizer Verlagsrie­se Tamedia darf nun bei „Heute“einsteigen. Manager Marcel Kohler über staatliche Werbung und Ziele für die Partnersch­aft in Wien. Behörde müsste ATV/ProSieben „eingehend prüfen“

- Harald Fidler

INTERVIEW: STANDARD: Wie fanden der größte Schweizer Verlagskon­zern Tamedia und Österreich­s größte Gratiszeit­ung „Heute“zusammen? Ruft da Herausgebe­rin Eva Dichand an, und fragt: Brauchen Sie noch eine Gratiszeit­ung, ich würde gerne Anteile loswerden? Kohler: Da hat niemand angerufen, man kennt sich. Unser Verleger Pietro Supino und Frau Dichand kennen einander. Da tauscht man sich aus. Wir haben schon vor vier Jahren 36 Länder analysiert, wie attraktiv sie für ein Pendlermed­ium sind. Österreich war da auch ein attraktive­r Markt, aber nicht um da neu reinzugehe­n, Sie haben ja schon zwei Player. Vielmehr können wir uns so an einem starken Partner beteiligen.

Standard: Warum die unterschie­dliche Beteiligun­gshöhe der Tamedia: 25,5 Prozent am Zeitungsve­rlag von „Heute“, 51 an „heute.at“? Kohler: Herausgebe­rin Dichand und Gründer Wolfgang Jansky haben Heute zur auflagenst­ärksten Pendlerzei­tung in Österreich entwickelt. Ich glaube, wir können auch für die Zeitung etwas einbringen. Aber wo wir wirklich Unterstütz­ung bieten können, ist bei heute.at. Wir können Inhalt bringen, für die Zeitung wie online, Technologi­e für das digitale Angebot bringen. 20 Minuten hat das mit Abstand größte Newsportal in der Schweiz, und wir verdienen damit Geld. Deshalb sieht Tamedia in der digitalen Publizisti­k Wachstumsp­otenzial. Also haben wir uns einvernehm­lich mehrheitli­ch an der neuen Gesellscha­ft beteiligt.

STANDARD: Eva Dichand sagte, mit Tamedia an Bord soll „heute.at“in drei Jahren „ORF.at“überholen. Bei 44 Prozent Reichweite zu 23 erscheint das doch recht ambitionie­rt? Wie soll das gehen? Kohler: Wo wir mit Frau Dichand absolut einig sind, ist: Wir wollen da große Schritte vorwärts machen, und das nicht erst in zehn Jahren. Es steht mir aus der Schweiz jedoch nicht zu, zu sagen, wir überholen jetzt den ORF. Aber in der Schweiz ist es uns gelungen, mit 20 Minuten die klare Nummer 1 zu werden. Weshalb sollte uns dies nicht auch in Österreich gelingen?

STANDARD: Haben Sie eine Option auf weitere Anteile bei „Heute“und/oder „heute.at“? Kohler: Wenn man sich an etwas beteiligt, dann regelt man auch den Fall, wenn man sich nicht verstehen würde. Das haben wir in Österreich auch gemacht. Aber Absicht beider Seiten ist, auf der nun vereinbart­en Basis zusammenzu­arbeiten. Der HeuteVerla­g wird weiter von Eva Dichand und Wolfgang Jansky geführt. Unsere Absicht ist, dass das so bleibt.

STANDARD: „Heute“soll wie „20 Minuten“positionie­rt werden, also ...? Kohler: Heute ist erfolgreic­h in Österreich, daraus kann man schließen, dass sie vieles richtig machen. 20 Minuten ist so positionie­rt: Wir informiere­n und unterhalte­n mit meinungsfr­eiem Journalism­us und mit einem eigenen Relevanzbe­griff aus der Optik der Jungen. Ob das genau das Richtige in Österreich ist, wird sich weisen. Ich denke, es wird eine Annäherung geben.

STANDARD: Sie haben nun als „Heute“-Mehrheitsg­esellschaf­ter eine Stiftung, die von Menschen mit SPÖ-Nähe geführt wird. Kohler: Man kann eine meinungsfr­eie Zeitung machen, auch wenn man Mitglied der SPÖ oder ÖVP ist. Das schließt sich

nicht aus. STANDARD: Ist der hohe Anteil öffentlich­er Inserate bei „Heute“nicht ein wirtschaft­liches Risiko – etwa bei Regierungs­wechseln? Kohler: In Österreich gibt es einen sehr hohen Anteil staatliche­r Werbung an den Mediaspend­ings. Wir sind uns dessen bewusst, und man staunt in der Schweiz, dass es das gibt, und freut sich darüber, wenn man da beteiligt ist. Aber ganz ehrlich: Wenn es das nicht mehr gäbe oder nur zur Hälfte, dann geht dieses Geschäft bei Heute weiter. Und ich gehe davon aus: Diese staatliche­n Stellen wissen, was sie tun, und sie werden einen Grund haben, warum sie so werben. Wir haben uns über dieses Thema nicht nächtelang den Kopf zerbrochen.

In Österreich gibt es einen sehr hohen Anteil staatliche­r Werbung. In der Schweiz staunt man, dass es das gibt, und freut sich, wenn man beteiligt ist.

MARCEL KOHLER (56) ist seit 2013 Mitglied der Tamedia-Führung, zuständig für „20 Minuten“. Diese Gratiszeit­ungsgruppe leitete er operativ ab 2006.

pDer „Heute“-Befund, blutige Nasen und Tamedia-Beteiligun­gsziele: derStandar­d.at/Etat Wien – Wie sieht die Bundeswett­bewerbsbeh­örde einen möglichen Verkauf von ATV an die Fernsehgru­ppe ProSiebenS­at.1Puls 4, die als wahrschein­lichster Interessen­t gehandelt wird? Sie ist immerhin – nach Bruttowerb­evolumen – schon größter Player im österreich­ischen TV-Werbemarkt, und beim Publikum zweitstärk­ste TV-Gruppe nach dem ORF.

Theodor Thanner, als Generaldir­ektor für Wettbewerb Chef der BWB, möchte sich auf Anfrage des STANDARD nicht äußern, ob seine Behörde schon mit einem ATVVerkauf befasst wurde.

Thanner, der sich mit dem österreich­ischen Medienmark­t nicht zum ersten Mal beschäftig­t, verweist grundsätzl­ich auf die Marktantei­le von ProSiebenS­at.1Puls 4 insbesonde­re im Werbemarkt, aber auch beim Publikum. Er klingt nicht, als könnte die Bundeswett­bewerbsbeh­örde einen solchen Zusammensc­hluss durchwinke­n, wenn sie ihn auf den Tisch bekommt: Die Behörde müsste einen solchen Fall „sehr eingehend prüfen“, sagt Thanner, und er klingt eher skeptisch. Ein Fall für das Kartellger­icht also? „Das kann man erst nach einer eingehende­n Prüfung entscheide­n – also wenn wir tatsächlic­h formell mit einem Zusammensc­hlussvorha­ben befasst werden.“

ATV-Eigner Herbert Kloiber verneinte zuletzt einen konkreten Interessen­ten. Und ProSiebenS­at.1Puls4 wollte Interesse an ATV „nicht bestätigen“. (fid)

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„Wird Annäherung geben“: „Heute“soll an „20 Minuten“Maß nehmen.
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Foto: APA/Hochmuth Theodor Thanner, Generaldir­ektor für Wettbewerb.
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