Avantgarde in Comic-Strips
Ja, aber ist es Kunst? Diese Frage wird gerne gestellt, wenn es um den Wert von Bildergeschichten geht. Vor uns liegt eine überzeugende Antwort in Buchform: Ja, das ist Kunst, wenn man – wie in der Malerei – die vielen uninteressanten Beispiele beiseitelässt und sich auf die Besten konzentriert oder, wie in diesem Fall, auf die Pioniere des Comic. Sechs dieser um 1900 bis in die 30er-Jahre tätigen Künstler sind die Kapitel gewidmet, bekannten wie Winsor McKay (Nemo in Slumberland) oder George Herriman mit seiner Krazy Kat und neu zu entdeckenden wie Charles Forbell, der mit seinen „Naughty Pete“-Strips das Format des ganzseitigen Comics neu erfand. Das Buch ist ein Glücksfall: Es ist so opulent wie viele Bildprachtbände, dabei weniger teuer als die meisten. Zugleich enthält es als Katalog einer gerade laufenden Ausstellung Texte zum kreativen Feuerwerk der gezeigten Beispiele. Museumsdirektor Max Hollein legt mit dieser seiner Abschiedsvorstellung in Frankfurt die Latte: Nicht entschuldigend, schreibt er im Vorwort, soll unser Zugang sein und auch nicht überheblich, sondern auf Augenhöhe. So sieht und liest man, was der Comic-Art-Experte Alexander Braun im Rest des Bandes vorführt: wie sehr die frühen US-Zeichner nicht nur der damaligen Avantgarde verwandt waren, sondern diese zum Teil vorwegnahmen. Im besten Sinne Kunst für die Massen. Michael Freund
Alexander Braun, Max Hollein (Hg.), „Pioniere des Comic“. € 36,– / 282 Seiten. Hatje Cantz, Ostfildern 2016. Die Ausstellung läuft noch bis 18. September in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt.