Gericht setzt verdeckten Ermittlern eine Grenze
Wie weit darf die Polizei bei Ermittlungen im Drogenmilieu gehen, um an Dealer und Hinterleute heranzukommen? Wenn Unbescholtene zu einer Straftat provoziert werden, ist Schluss, stellt der Oberste Gerichtshof klar.
Wien – Ein bemerkenswertes Urteil, das Auswirkungen auf die Polizeiarbeit bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität haben wird, hat vor kurzem der Oberste Gerichtshof ( OGH) gefällt. Demnach ist es verboten, wenn verdeckte Ermittler unbescholtene Personen zur Begehung einer Straftat verleiten. Liegt eine „unzulässige Tatprovokation“vor, ist zukünftig von der strafrechtlichen Verfolgung abzusehen.
Mit 1. Juni 2016 ist eine neue Bestimmung der Strafprozessordnung (StPO) in Kraft getreten, wonach von der Verfolgung eines Beschuldigten Abstand zu nehmen ist, wenn dieser zur Begehung einer strafbaren Handlung verleitet wurde.
Menschenrechtskonvention
Dem war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vorangegangen, der ein derartiges Vorgehen als Verletzung des in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten fairen Verfahrens qualifiziert hat.
Der OGH hat nun die genauen Grenzen definiert, die in der Suchtgiftszene operierende Polizeiermittler nicht mehr überschreiten dürfen. „Unzulässige Tatprovokation liegt dann vor, wenn eine Person durch dem Staat zurechenbares Verhalten zur Begehung von strafbaren Handlungen in einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens widerstreitenden Weise verleitet wird“, halten die Höchstrichter in ihrem Beschluss (Geschäftszahl 2 Os 5/16a10) einleitend fest. Verdeckte Ermittler haben sich demnach „auf eine im Wesentlichen passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten zu beschränken“.
Ihnen ist untersagt, „einen sol- chen Einfluss auf die Person auszuüben, dass diese zur Begehung einer Tat verleitet wird, die sie sonst nicht begangen hätte“.
Bisher war es durchaus gängige Praxis, dass verdeckte Ermittler als Agents provocateurs aufgetreten sind und Drogengeschäfte angebahnt haben, um so an Lieferanten und Hintermänner in der Suchtgiftszene heranzukommen. Nun dürfen sie ihre Fühler nur noch nach Personen ausstrecken, wenn es objektive Verdachtsmomente gibt, dass diese an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder solchen zugeneigt sind. „Kein Grund für die Annahme des Verdachts einer Beteiligung am Rauschgifthandel besteht etwa dann, wenn die Person nicht vorbestraft war, kein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet worden war und nichts darauf hindeutete, dass sie schon tatgeneigt war, bevor sie von Polizeibeamten kontaktiert wurde“, betont der OGH.
Kein psychischer Druck
Polizisten dürfen Personen nicht weiterkontaktieren, wenn diese schon das Angebot ausgeschlagen beziehungsweise sich geweigert haben, bei der Beschaffung von Drogen behilflich zu sein. Entsprechende Überredungsversuche sind ebenso verboten wie das Ausüben von psychischem Druck.
Ob sich verdeckte Ermittler an die ihnen auferlegten Beschränkungen gehalten haben, müssen übrigens nicht die von ihnen zur Strecke gebrachten Beschuldigten beweisen. Die Beweislast obliegt vielmehr den staatlichen Behörden. „Soweit der vom Angeklagten erhobene Vorwurf nicht völlig unplausibel ist, haben diese (die staatlichen Behörden, Anm.) zu beweisen, dass keine unzulässige Tatprovokation stattgefunden hat“, stellen die Höchstrichter klar. (APA, red)