Kampf gegen eine privilegierte Konkurrenz
Der Verfassungsgerichtshof hat erneut Anträge gegen die Registrierkassenpflicht zurückgewiesen. Doch dank neuer Ausnahmen hat eine Klage vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg Erfolgschancen.
Wien – Im Windschatten der umstrittenen Aufhebung der Bundespräsidentenwahl hat der Verfassungsgerichtshof vor dem Sommer auch den zweiten großen Registrierkassen-Fall – und zwar wiederum negativ – entschieden. Der VfGH traf diesmal keine Sachentscheidung, sondern wies die umfangreichen Anträge aus formalen Gründen zurück (VfGH 2.7.2016, G 53/2016, V 13/2016). Bundeskanzleramt und Verfassungsdienst hatten mit ihren aggressiven Gegenschriften offenbar Eindruck gemacht.
Die Zurückweisung des sehr präzise formulierten Individualantrags kommt dennoch überraschend und ist nur insofern nachvollziehbar, als bereits im Februar über Bedenken gegen das Gesetz (§ 131b BAO) im Lichte des Grundrechts auf Erwerbsfreiheit vom VfGH (Art 6 StGG) entschieden wurde. Im Winter hatte der VfGH den Antrag eines Taxiunternehmens wegen der Führungspflicht von Registrierkassen abgewiesen, sodass der Grundsatz „Nicht zweimal in derselben Sache“auf den ersten Blick auf die Antragsteller vom Frühjahr anwendbar war. Diese Begründung vermag aber nicht ganz zu überzeugen, da es den Antragstellern, einem ländlichen Gelegenheitsverkehrsunternehmen, diesmal um andere Grundrechte – vor allem die Eigentumsfreiheit des Art 1 1. ZPEMRK, Gleichheit – ging und zudem auch die Verordnungen wegen unsachlicher Ausnahmeregelungen angegriffen wurden.
Weder die einzelnen Bedenken zu den Durchführungsverordnungen („cold hands“Regel und Barumsatz-Verordnung) noch die Frage der Sachlichkeit hat der VfGH inhaltlich näher geprüft, sondern sich auf formale Argumente beschränkt, welche den konkreten Umfang der Anfechtung betrafen. Das ist bedauerlich, denn das verschachtelte, vage Verordnungssystem in Verbindung mit den nur auf der „findoc“- Seite zu findenden Richtlinien wäre einer Nachprüfung Wert gewesen.
Zwischenzeitig hat sich die Rechtslage schon wieder geändert, weil der Gesetzgeber neben Schutzhütten (durchaus nachvollziehbar), Dorf- und Vereinsfesten (eher fraglich) auch die Vorfeldorganisationen der politischen Parteien hinsichtlich Ausschank- und Verköstigung privilegiert hat. Dass diese Bevorzugung den Wirten sauer aufstößt, ist klar. Auch die Taxibetriebe außerhalb Wiens, bei denen die Innung die Registrierkassenpflicht akzeptiert, aber einzelne Fahrer sehr sparsam und nur auf Rückfrage Belege ausstellen, sind nicht bereit, klein beizugeben. In beiden Gewerbefachgruppen (Gelegenheitsverkehr, Gastgewerbe) sehen sich die Betroffenen einer privilegierten Konkurrenz ausgesetzt, während sie selbst in die Tasche greifen müssen. Ein klassischer Fall von Diskriminierung, würde man meinen.
Die Chancen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, wo binnen eines halben Jahres nach der Zustellung des aktuellen VfGHBeschlusses eine Beschwerde eingebracht werden müsste, sind daher intakt. Denn die Auslegung des EGMR hinsichtlich des Umfangs des in Art 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK verankerten Eigentumsgrundrechts ist so weit, dass sie sogar die vom Staat verankerten „zusätzlichen ver-
mögenswerten Rechte“schützt, die in den Bereich der Abgaben- oder Sozialhilfegesetze fallen. Dies hat der EGMR in mehreren Urteilen klargestellt, von denen der Fall EMGR 8.1.2013 Efe, X und Povse Sahin, Nr 9134/06 Österreichs im Einkommenssteuergesetz geregelte Familienbehilfe betraf. Demnach kann auch eine Regelung der Bundesabgabeordnung, die Abrechnungsmodalitäten betrifft, ins Eigentumsrecht der betroffenen Unternehmen eingreifen.
Mächtiges Diskriminierungsverbot
Das ist deshalb wichtig, weil die EMRK nur vor Diskriminierungen in einem Konventionsrecht schützt, wie Art 14 EMRK explizit ausführt. Gemeinsam mit dem Eigentumsschutz bildet das Diskriminierungsverbot aber einen mächtigen Hebel, der zu einer Verurteilung Österreichs und einer Verpflichtung zu einer billigen Entschädigungszahlung führen könnte.
Stellt der EGMR eine Konventionswidrigkeit fest, könnte der Staat sogar noch tiefer in seine eigene Registrierkasse greifen müssen. Allerdings: Der Staat selbst und jene politischen Parteien, die sich an Wahlen beteiligen, müssen kraft Gesetzes gar keine Registrierkasse führen.
AO. UNIV.-PROF. DR. GERHARD STREJCEK lehrt Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien. gerhard.strejcek@univie.ac.at