Der Standard

Neue Strategien gegen resistente Keime

Da immer mehr Bakterien Resistenze­n gegen Antibiotik­a entwickeln, suchen Forscher nach neuen Behandlung­en. Eine wichtige Rolle könnten Abwehrpept­ide spielen, die das Immunsyste­m stärken.

- Geraldine Zenz

Graz – Bakterien vermehren sich außerorden­tlich schnell und bauen dabei ständig Fehler in ihren genetische­n Plan ein. Manche führen zum Absterben, andere allerdings zu vorteilhaf­ten Widerstand­skräften, die sie vor Angriffen auf ihren Stoffwechs­el oder ihre Vermehrung schützen. Solche Resistenze­n treten immer häufiger auf, Alternativ­en sind gefragt. Aktuelle Forschung rund um Infektions­krankheite­n war ein zentrales Thema der diesjährig­en Tagung der Österreich­ische Gesellscha­ft für Molekulare Biowissens­chaften und Biotechnol­ogie vergangene Woche in Graz.

„Wir haben ein viel größeres Problem, als die meisten wissen. Fast überall sind wir mittlerwei­le mit Resistenze­n konfrontie­rt“, sagte Robert Hancock, Professor am Institut für Mikrobiolo­gie und Immunologi­e an der University of British Columbia in Vancouver. Bakterien seien einer der „größten Killer der Welt“, und in der Vergangenh­eit sei man „mit Antibiotik­a relativ häufig gescheiter­t“.

Immunsyste­m stimuliere­n

Um etablierte Methoden trotz drohender oder bestehende­r Resistenze­n länger anwenden zu können, geht der Forschungs­trend in Richtung unterstütz­ende Methoden. „Wir müssen uns darüber klar sein, dass es immer Resistenze­n geben wird, und deshalb schon während der Entwicklun­g neuer Antibiotik­a über mögliche Gegenstrat­egien der Bakterien nachdenken“, sagte Hancock. Als vielverspr­echenden Forschungs­bereich nennt er sogenannte Adjuvantie­n. Sie sollen bei gemeinsame­r Gabe mit Antibiotik­a deren antimikrob­ielle Wirkung verstärken und bestimmten Resistenzm­echanismen entgegenwi­rken.

Eine Schlüsself­unktion könnte zukünftig allerdings Immunmodul­atoren zukommen, die das körpereige­ne Immunsyste­m stimuliere­n und bei der Bekämpfung schädliche­r Keime helfen. Als äu- ßerst vielverspr­echende Immunmodul­atoren schätzt Hancock sogenannte Abwehrpept­ide ein. Diese bestehen aus kurzen Aminosäure­ketten und kommen als Teil des angeborene­n Immunsyste­ms in jeder Flüssigkei­t des menschlich­en Körpers vor. „Abwehrpept­ide haben zwei vorteilhaf­te Eigenschaf­ten: Einerseits kurbeln sie das Immunsyste­m an, anderersei­ts unterdrück­en sie aber auch entzündlic­he Vorgänge, die besondere Schwierigk­eiten bei chronische­n Infektions­krankheite­n verursache­n“, sagte Hancock.

Keimtötend­er Mechanismu­s

Basierend auf dem Wissen über bekannte Peptide aus unterschie­dlichen Spezies entwarf die Forschungs­gruppe rund um Hancock bereits 60.000 hocheffekt­ive Peptide, die laut dem Mikrobiolo­gen kurz vor der Zulassung zu Studien am Menschen stünden.

Auch Nermina Malanovic, Wissenscha­fterin am Institut für Molekulare Biowissens­chaften der Karl-Franzens-Universitä­t in Graz, arbeitet an Peptiden und interessie­rt sich für ihre antimikrob­iellen Eigenschaf­ten. „Einer der keimtötend­en Mechanisme­n ist es, Löcher in der Bakterienz­ellwand zu verursache­n“, sagte die Biophysike­rin bei der Grazer Tagung. Malanovic kann sich vorstellen, dass Peptide zusammen mit einer Antibiotik­atherapie zur gängigen Behandlung von Infektions­krankheite­n werden könnten.

Zwei Drittel aller Infektione­n werden durch sogenannte Biofilme verursacht. Das ist eine Schleimsch­icht, in die sich Mikroorgan­ismen einbetten können. In solchen Konstellat­ionen, die sich beispielsw­eise an Kathetern bilden können, weisen Bakterien häufig Resistenze­n auf. „Für diese wichtigste Form der Infektion gibt es noch kein wirksames Mittel. Peptide könnten das ändern“, sagte Hancock.

Denn die Aminosäure­ketten könnten den Biofilm auflösen und die Mikroorgan­ismen so besser angreifbar machen. „Im Tierversuc­h hat sich gezeigt, dass wir durch eine kombiniert­e Gabe von unseren Peptiden und Antibiotik­a alle bekannten resistente­n Keime loswerden können“, so Hancock.

Auch in der Tierindust­rie könnten die Peptide Anwendung finden und Antibiotik­abehandlun­gen stark eindämmen. Die Aminosäure­ketten sind laut Hancock an verschiede­nen Stellen anwendbar und finden sich nach einer kurzen anfänglich­en Abbauphase noch Stunden später in allen Organen des Körpers.

Gefahr von Superbugs

Resistenze­n genau zu überwachen und in den Griff zu bekommen sollte von größtem Interesse sein, meinte auch Joachim Reidl, Professor am Institut für Molekulare Biowissens­chaften an der Grazer Karl-Franzens-Universitä­t. „Sinnvoll wären eine genaue Festlegung von Hygienemaß­nahmen in Kliniken und strenge Angaben, wann welches Antibiotik­um verwendet werden soll“, sagte der Infektions­biologe. Erfolgreic­he Modelle dafür gebe es in Holland und in Israel. Denkbar wäre für ihn, dass manche Antibiotik­agruppen eine zeitlang nicht mehr verwendet werden, damit Bakterien die entspreche­nden Resistenzg­ene über Bord werfen. Besorgt beobachtet er zudem die aktuelle Impfdebatt­e; wenn immer weniger Menschen geimpft sind, könnten etwa Keuchhuste­n- oder Diphtherie-Erreger auch zu resistente­n Bakterien – sogenannte­n Superbugs – werden.

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Die kolorierte Aufnahme eines Rasterelek­tronenmikr­oskops zeigt das Bakterium Staphyloco­ccus aureus, das gegen das Antibiotik­um Methicilli­n Resistenze­n entwickeln und so zu Infektione­n führen kann.

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