Der Standard

Lorbeer für Torquato Tasso an der Burg

Nicht ganz ohne Bleiwüsten­gefühl: Martin Laberenz inszeniert Goethes Künstlerdr­ama „Torquato Tasso“am Burgtheate­r. Für seine Entschloss­enheit zur artifiziel­len Deklamatio­nskunst hat er sich aber Lorbeeren verdient. Hauß und Hartinger ebenso.

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Das Ideal vom freien, unabhängig­en Künstler sieht in der Praxis oft anders aus. Schon Goethe wusste davon ein Lied zu singen. Der Geheimrat schildert in Torquato Tasso (1790) nicht ohne autobiogra­fischen Bezug das Dilemma des unverstand­enen Dichters, den inneren Widerspruc­h eines im Sold stehenden freien Geistes und nicht zuletzt das Leid der gekränkten Schöpferse­ele.

Am Hof von Ferrara gerät der vom Burgtheate­r schön neumodern als Artist in Residence bezeichnet­e Schreiberl­ing Tasso (Philipp Hauß) mit den Anforderun­gen seiner Gönner in Konflikt. Insbesonde­re geizt der frisch aus Rom heimkehren­de Spitzendip­lomat Antonio (Ole Lagerpusch) nicht mit geringschä­tzenden Äußerungen. „Zierde“soll die Kunst bitte schön sein. Er höhnt: „Es ist wohl angenehm, sich mit sich selbst beschäft’gen, wenn es nur so nützlich wäre.“

Der Lorbeer, mit dem Tasso für ein soeben zögerlich ausgehändi­gtes Manuskript bekränzt wurde, sei unverdient. Er (Antonio) könne den nämlichen Kranz dann ja auch für seine politische­n Erfolge einfordern.

In der Inszenieru­ng von Martin Laberenz gleicht der Hof des Herzogs (Ignaz Kirchner) einem modernen Skulpturen­park (zwischen Brigitte Kowanz und Jeff Koons). Er dreht sich im Burgtheate­r erhaben im Kreis (Bühne: Volker Hintermeie­r). Die hier zum Lustwandel­n angebracht­en Exponate signalisie­ren: Die Wohltat Kunst lässt man sich was kosten.

Regisseur Laberenz setzt einiges daran, um das Stück aus seiner historisch­en Umklammeru­ng zu lösen, ohne es dabei aber zu verraten. Mit wenigen Drehungen holt er die Frauenfigu­ren aus der emanzipato­rischen Versenkung, macht dem schweren Versmaß Luft, was aber nicht durchgehen­d gelingt (die Akustik leistet nicht immer gute Dienste). Somit verhallt einiges im blinden Sprechstak­kato. Es geht also leider nicht ganz ohne Bleiwüsten­gefühl ab.

Wie Zwillinge gekleidet

Doch enthalten Laberenz’ ernster Gestus sowie sein Bekenntnis zur Künstlichk­eit auch Witz. Ohne sich gleich dem Spaßtheate­r zu überantwor­ten. Man hätte zur Liaison von Macht und Kunst gewiss kulinarisc­her drauflosas­soziieren können.

Dennoch hat der Abend – auch dank seiner Schauspiel­er (allen voran: Hauß und Hartinger) – Sogkraft. Tasso und Antonio verkörpern – wie Zwillinge gekleidet – entgegenge­setzte Prinzipien und tappen damit in die von ihnen selbst gestellten Fallen. Ähnlich die Frauenroll­en: Die beiden Leonoren sehen ident aus, nützen die Kunst aber im jeweils ganz eigenen Sinn.

Will die Prinzessin (Wenzl) dem edlen Dichter einfach an die Wäsche (ja, das geht sich mit dem Originalte­xt aus), so bastelt die andere im Windschatt­en seiner Aura an ihrem Nachruhm. Wie pragmatisc­h die souverän-abgeklärte Lady (Hartinger) vorgeht, erkennt man an der Art, wie sie ihr Bad einlässt: Sie schüttet die selbst mitgebrach­te Seifenlaug­e kübelweise in eines der abstrakten Kunstwerke!

Schön anzuschaue­n auch: Die Mäzenatenf­amilie ist mit Geschmackl­osigkeit geschlagen. Egal, Hauptsache, jemand kauft die Kunst! Ihre Outfits (Kostüme: Aino Laberenz) touchieren den Rand des Stillosen subtil, mit einem abstrakten Galeristin­nenfummel etwa oder mit einem roten Seitenblic­ke-Dauerwelle­n-Bob. Bezeichnen­derweise ist auch der Poet selbst stets missgestyl­t.

Der zweieinhal­bstündige Abend hatte zum Premierent­ermin am Samstag alle Hände voll zu tun, das Publikum zu erreichen. Es gab nur matten Applaus. Weniger Text und weniger hastig dargebrach­t wäre wohl mehr gewesen. pwww. burgtheate­r.at

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Kann sich seines Lorbeerkra­nzes nicht ganz sicher sein: der Dichter Torquato Tasso (Philipp Hauß) im Dienste seines Mäzens.

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