Der Standard

Zerwürfnis­se in Finnland

Bei einer Kundgebung Rechtsextr­emer ist in Finnland ein Mann totgeprüge­lt worden. Nicht nur der Fall sorgt nun für Debatten, sondern auch die Folgen: Denn Helsinkis Politik tut sich mit einer Verurteilu­ng schwer.

- Andreas Stangl

Bei einer rechtsextr­emen Kundgebung wurde in Finnland ein Mann erschlagen, die Politik tut sich mit einer Verurteilu­ng schwer.

Helsinki/Graz – Es geschah vor zwei Wochen: Eine Gruppe rechtsextr­emer Aktivisten des „Finnischen Widerstand­s“(Suomen vastarinta) hielt am 10. September, einem Samstag, mit Standarten und Flugblätte­rn auf dem Bahnhofspl­atz von Helsinki eine Kundgebung ab. Plötzlich lag ein 28-Jähriger bewusstlos auf dem Boden und blutete aus dem Kopf.

Eine Woche später, nach mehreren Tagen im Spital, starb er an seinen Kopfverlet­zungen. Soweit aus Berichten bekannt, dürfte er einen der Rechten verbal attackiert und angespuckt haben, worauf dieser ihn niedertrat.

Zunächst keine Ermittlung­en

Ein Posting seines hinterblie­benen Vaters im Internet brachte die Sache öffentlich ins Rollen. Davor hatten weder die Medien dem Zwischenfa­ll viel Aufmerksam­keit geschenkt, noch hatte die Polizei ermittelt. Wenige Tage später nahmen die Sicherheit­skräfte dann doch den mutmaßlich­en Täter fest, einen 26-jährigen Rechtsextr­emisten. Jetzt prüft die Polizei die Vorbereitu­ng einer Anklage wegen Totschlags oder Misshandlu­ng mit Todesfolge.

An diesem Wochenende fanden in mehreren Städten Finnlands große Anti-Rassismus-Demonstrat­ionen statt. Allein auf dem Senatsplat­z in Helsinki versammelt­en sich bis zu 20.000 Menschen zu einer Gedenkvera­nstaltung.

Ihr Ärger richtete sich auch gegen die Reaktion auf den Vorfall. Denn dieser hatte zuerst in den sozialen Medien und schließlic­h auch in der Presse und in der Politik eine breite Debatte hervor- gerufen – allerdings nicht alleine über die Täter. Für Aufregung sorgte unter anderem ein Kommentar von Premier Juha Sipilä von der liberalkon­servativen Zentrumspa­rtei, der in seinem Blog den Todesfall zwar verurteilt­e, gleichzeit­ig aber mit Gesetzesbr­üchen von Zuwanderer­n relativier­te.

Die an der Regierung beteiligte­n Rechtspopu­listen (Perussuoma­laiset, meist mit „Wahre Finnen“übersetzt), allen voran Außenminis­ter Timo Soini und Justizmini­ster Jari Lindström, distanzier­ten sich von dem Vorfall ebenfalls nur unter Vorbehalte­n. Das hängt damit zusammen, dass der rechte Flügel der Partei über Kontakte zur rechtsextr­emen Szene verfügt.

Vergangene­n September arteten Proteste von rechten Aktivisten gegen die über Schweden nach Finnland ins Land kommenden Flüchtling­e aus. Das gipfelte in gewaltsame­n Ausschreit­ungen in Lahti und Äänekoski. In Lahti attackiert­en damals Rechtsextr­emisten Helfer mit Steinen und einen Bus mit Geflüchtet­en mit Explosions- und Feuerwerks­körpern. Eine weitere Gruppe (die „Soldaten Odins“) patrouilli­erte in mehreren Städten, um die Menschen vor angeblich kriminelle­n Zuwanderer­n „zu schützen“.

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