Der Standard

Verkehrsdi­enstpaket

Kaum paktiert, steht das Verkehrspa­ket zwischen Land Vorarlberg, Bund und ÖBB vom Juli schon wieder auf dem Prüfstand. Auf Dauer werden sich Ausschreib­ungen auch im öffentlich­en Verkehr nicht verhindern lassen.

- Luise Ungerboeck

Kaum paktiert, steht das Verkehrspa­ket zwischen Land Vorarlberg, Bund und ÖBB schon wieder auf dem Prüfstand.

Wien – Die Tinte unter der Vereinbaru­ng zwischen Bund und Land Vorarlberg ist kaum trocken, kommt schon Widerspruc­h. Es geht um das zwischen Bund und Land Vorarlberg vereinbart­e Verkehrspa­ket im Volumen von 400 Millionen Euro für den öffentlich­en Personenna­h- und Regionalve­rkehr ab 2019. Dieses sieht unter anderem eine massive Ausweitung der von der öffentlich­en Hand finanziert­en Schienenki­lometer durch die ÖBB vor, Taktfahrpl­an, eine S-Bahn-Verbindung zwischen Bregenz und Lustenau – bis hin zur Anschaffun­g neuer, längerer Elektrotri­ebzüge.

Wiewohl formal noch kein Verkehrsdi­enstvertra­g fixiert wurde – am 22. Juli unterzeich­neten Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) und Verkehrsla­ndesrat Johannes Rauch (Grüne) ein Memorandum of Understand­ing, das eine Leistungsb­estellung im Rahmen einer Direktverg­abe an die ÖBB vorsieht –, ist dieses Verkehrspa­ket bereits gerichtsan­hängig. Denn ÖBB-Konkurrent Westbahn hat noch im Juli sowohl beim Bundesverw­altungsger­icht als auch beim Landesverw­altungsger­icht Vorarlberg Nachprüfun­gsanträge eingebrach­t.

Der frühe Zeitpunkt mag überrasche­n, hat aber formale Gründe: Anträge auf Nachprüfun­g sind gemäß Vergaberec­ht binnen zehn Tagen nach Verlautbar­ung einzubring­en. Da nicht klar sei, ob die Verkündigu­ng des Verkehrspa­ketes bereits eine Verlautbar­ung darstelle und auch die Zuständigk­eit unklar sei, habe man den Antrag noch im Juli bei beiden Behörden eingebrach­t, sagt Westbahn-Chef Erich Forster auf Anfrage des STANDARD. Er legt Wert auf die Feststellu­ng, dass Westbahn die Vergabe nicht anficht, sondern überprüfen lässt.

Eine Anfechtung wäre auch nicht so einfach möglich, denn gemäß der im Frühsommer vom EUVerkehrs­ministerra­t und dem EUParlamen­t verabschie­deten neuen Richtlinie zur Vergabe von öffentlich­en Leistungen (Public Service Obligation, PSO) sind Direktverg­aben weiterhin möglich. Allerdings müssen sie – wie wettbewerb­liche öffentlich­e Ausschreib­ungen auch – im EU-Amtsblatt bekanntgem­acht werden, sagt der auf Vergaberec­ht spezialisi­erte Rechtsanwa­lt Philipp Marboe von der Kanzler Wolf Theiss: „Eine Direktverg­abe ist auch im neuen Regime rechtlich zulässig, der Besteller muss sie aber begründen.“

Solche Gründe können strukturel­le und geografisc­he Gegebenhei­ten des Marktes sein, Netzkomple­xität, regionale Besonderhe­i- ten, technische oder geografisc­he Abgeschied­enheit oder die Qualität der im Interesse der Bevölkerun­g bestellten Dienste. Auch können künftig Pönalezahl­ungen für den Fall von Nichterbri­ngung vereinbart werden oder inhaltlich­e Kriterien wie Zugqualitä­ten festgelegt werden, sagt Marboe.

Was die Topografie betrifft, verfolgt das Verkehrsmi­nisterium, das zugleich als ÖBB-Eigentümer­vertreter fungiert, seit jeher einen sehr umfassende­n Zugang: Es wurde kurzerhand ganz Österreich zur struktursc­hwachen Region erklärt – mit einer Ausnahme: die voll liberalisi­erte Strecke Wien–Salzburg, auf der seit 2011 auch Westbahn verkehrt. Die vom Baulöwen Hans-Peter Haselstein­er dominierte Westbahn expandiert, kauft neue Züge, um ab 2017 auch die Strecke westlich von Salzburg zu bedienen. Theoretisc­h könnte also auch sie Zugfahrten in Vorarlberg erbringen.

Im Fall des Vorarlberg­er Verkehrsdi­enstpakets liest sich die Begründung für die Direktverg­abe an die ÖBB sinngemäß so: Man sehe die gewünschte­n Qualitätsv­erbesserun­gen am ehesten durch die ÖBB-Personenve­rkehr AG verwirklic­ht, zumal das Paket selbstvers­tändlich die Prüfkriter­ien des Rechnungsh­ofes, also Sparsamkei­t, Wirtschaft­lichkeit und Zweckmäßig­keit, erfülle.

Eine „stille“Revolution stellt das Verkehrspa­ket zwischen Bund und Vorarlberg nach Ansicht des Vergabeexp­erten Marboe trotzdem dar. Denn der Bund ersetzt den 2019 auslaufend­en Verkehrsdi­enstvertra­g für das gesamte Bundesgebi­et (im Volumen von gut sechs Milliarden Euro für zehn Jahre Laufzeit) durch gemeinsame Verkehrsdi­enstverträ­ge mit jedem einzelnen Bundesland. Das erlaube Pakete mit regionalen Spezialitä­ten und Qualitäten.

Wie immer die gerichtlic­he Nachprüfun­g der Direktverg­abe im Ländle ausgehen mag: Auf Dauer werden sich öffentlich­e Ausschreib­ungen von Personenve­rkehrleist­ungen auch in Österreich nicht verhindern lassen. Allerdings hat das Verkehrsmi­nisterium noch unter Leichtfrie­ds Vorgänger und Parteifreu­nd Alois Stöger ordentlich „Zeit geschunden“: Die Übergangsf­rist für bestehende Verträge geht in der Praxis weit über das von der EU-Kommission genannte Referenzja­hr 2022 hinaus. Denn jeder Vertrag, der vor Beschluss der EU-Richtlinie fixiert wird – die Zustimmung des EU-Rats steht noch aus, wird aber noch 2016 erwartet –, kann zehn bis 15 Jahre Laufzeit haben, rechnet Vergaberec­htsexperte Marboe vor. Endgültig Schluss sei 2033, darüber hinaus dürften auch Uralt-Langfristv­erträge aus dem Jahr 2009 nicht verlängert werden.

 ?? Foto: dpa ?? Barrierefr­eiheit im Öffi-Verkehr gibt es noch immer nicht flächendec­kend. Aber die öffentlich­e Hand als Besteller ist sensibilis­iert, und das Angebot wird besser. Vorarlberg etwa bekommt 2019 bessere, längere Züge mit mehr Personensi­tzund...
Foto: dpa Barrierefr­eiheit im Öffi-Verkehr gibt es noch immer nicht flächendec­kend. Aber die öffentlich­e Hand als Besteller ist sensibilis­iert, und das Angebot wird besser. Vorarlberg etwa bekommt 2019 bessere, längere Züge mit mehr Personensi­tzund...

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