Corbyn vergrößert sein Mandat
Linkspolitiker mit 61,8 Prozent an Parteispitze bestätigt
Der britischen Labour-Partei stehen nach der Wiederwahl des Parteilinken Jeremy Corbyn erhebliche Änderungen bevor. Er wolle den mittlerweile 680.000 Mitgliedern mehr Mitspracherechte einräumen, teilte der mit 61,8 Prozent im Amt Bestätigte am Wochenende mit: „Wir müssen die innerparteiliche Demokratie stärken.“Den Anhängern seines unterlegenen Herausforderers Owen Smith versprach er beim Jahrestreffen in Liverpool Entgegenkommen.
Corbyn kann sich auf ein überwältigendes Mandat stützen. Sowohl Mitglieder und Angehörige Labour-naher Gewerkschaften sowie registrierte Parteisympathisanten entschieden sich mit klarer Mehrheit für den Londoner Veteranen. Laut einer Umfrage von YouGov entschieden sich allerdings Mitglieder, die schon vor der Unterhauswahl 2015 zu Labour gehörten, mehrheitlich für Smith.
Seit Corbyns Kandidatur und späterer Wahl im Sommer 2015 hat sich die Zahl der Mitglieder verdreifacht, Labour ist damit in Westeuropa die größte Partei. Die meisten Neu-Mitglieder sind Anhänger der – jedenfalls im britischen Spektrum – weit links angesiedelten Ideen des Vorsitzenden. Viele junge „Corbynistas“(so die Selbstbezeichnung) haben sich in der Aktivistengruppe „Momentum“zusammengeschlossen, in Liverpool treffen sie sich in einer umgebauten Freikirche, zwanzig Minuten vom Kongresszentrum entfernt. Dort finden bis Mittwoch auch die Parteitagsdebatten statt.
Der zweite Wahlgang binnen zwölf Monaten war nötig geworden, weil die Parlamentsabgeordneten ihrem Chef Anfang Juli – nach dem Brexit-Votum – zu 80 Prozent das Misstrauen ausgesprochen hatten. Als Corbyn den Rücktritt verweigerte, einigten sich die Rebellen auf den weitgehend unbekannten Smith als Kandidaten. Allerdings stellte dessen Wahlkampf für viele Angehörige des rechten Flügels und der Parteimitte eine Enttäuschung dar, in vielen Positionen unterschied er sich kaum von seinem Gegner.
Für die Corbyn-Skeptiker stellt sich jetzt die Frage, inwieweit sie mit ihm zusammenarbeiten wollen. Prominente Abgeordnete wie Rachel Reeves und Chuka Umunna wollen auf keinen Fall in Corbyns Schattenkabinett dienen. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan mahnte am Sonntag zum Kompromiss. „Wir können die Lebensverhältnisse der Menschen nur verändern, wenn wir Wahlen gewinnen“, sagte er der Sunday Times.