Der Standard

Wiener Initiative zu Migration schafft neue Partnersch­aft

Zehn Anrainerst­aaten auf der Balkanrout­e wollen enger kooperiere­n, um im Paarlauf mit der EU die Außengrenz­e zu schützen und illegale Migration nach Norden zu beenden. Die Wiener Initiative bringt Bewegung in Europas Patt.

- Thomas Mayer

ANALYSE: Wien/Berlin/Brüssel – Es kommt „Bewegung in die Diskussion“um die Asyl- und Migrations­politik. Nach langem Streit um die Einführung von „Obergrenze­n“bei Asylansuch­en, wie sie die CSU in Anlehnung an das österreich­ische Modell verlangt hatte, deutete CDU-Generalsek­retär Peter Tauber am Wochenende im Deutschlan­dfunk eine Wende der Partei von Kanzlerin Angela Merkel an.

CDU und CSU seien sich nun „in zentralen Fragen einig“, sagte Tauber, wonach „die Flüchtling­szahlen zu begrenzen sind“, wie Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) erklärte. Recht auf Asyl werde nicht beschnitte­n. Aber über eine „bestimmte Zahl“könne gesprochen werden, die sich „an Bedarf und den Interessen unseres Landes orientiert“.

Diese Wende der Kanzlerpar­tei kann in direktem Zusammenha­ng mit dem Gipfeltref­fen von elf Vertretern aus Anrainerst­aaten auf der Balkanrout­e am Samstag in Wien gesehen werden.

Partner Orbán, Merkel, Kern

Eingeladen hatte Bundeskanz­ler Christian Kern, angereist sind Regierungs­chefs unter anderem aus Slowenien, Kroatien, Bulgarien und Serbien. Diese Länder hatten schon an der „Balkankonf­erenz“von Außenminis­ter Sebastian Kurz im Februar in Wien teilgenomm­en. Damals wurden die Sperren der Grenzen für Illegale auf der Balkanrout­e beschlosse­n, was den massenhaft­en Zustrom nach Norden noch vor dem EUTürkei-Abkommen im März stoppte. Wegen des „Alleingang­s“wurde die Initiative von der EUKommissi­on und Merkel vor sechs Monaten noch heftig kriti- siert. Das scheint nun vorbei. Am Samstag war nicht nur die Kanzlerin der Einladung Kerns gefolgt. Von der EU kam Ratspräsid­ent Donald Tusk, Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker schickte Migrations­kommissar Dimitris Avramopoul­os. Auch Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán war da, der die EU für illegale Migranten dichtmache­n, eine Million illegal Eingereist­er ausweisen will.

Zwischen Wien, Berlin und Budapest waren die Beziehunge­n deshalb getrübt. Nun wurde zu allen Problemen nach den Worten des Gastgebers „Fraktur geredet“, wie man aus der Zerstritte­nheit in Sachen Migration herauskomm­en könnte. Orbán lobte Kern danach überschwän­glich für den „Mut“zur Aussprache. Die Beziehunge­n zwischen Ungarn und Österreich stünden vor einem „neuen Anfang“.

Deutschlan­d siedelt um

Merkel wies in Wien darauf hin, dass seit März 50.000 Migranten illegal in Deutschlan­d ankamen, „zu viel“. Bei der regulären Umsiedelun­g von geplant 160.000 Asylwerber­n aus Griechenla­nd und bei der Sicherung der EU-Außengrenz­en geht nichts weiter. Griechenla­nd erfüllt nicht die Zusagen, die es in Bezug auf die Abwicklung von Asylverfah­ren und die Rückführun­g unberechti­gter Migranten in die Türkei gegeben hat.

Nun wollen die „neuen Balkanpart­ner“mittels konkreter Aktionen Bewegung in die EU bringen. Deutschlan­d wird laut Merkel pro Monat 500 Asylwerber aus Italien und Griechenla­nd umsiedeln. Athen und Rom sollen alles an Mitteln und Personal bekommen, was sie brauchen, um die Verfahren zu beschleuni­gen.

Die EU-Außengrenz­en sollen für Illegale möglichst geschlosse­n werden. Kern betonte, dass man den gestrandet­en Flüchtling­en an den Grenzen direkte humanitäre Hilfe leisten wolle. Die große Sorge der Regierungs­chefs scheint aber weniger die Balkanrout­e als die Lage in Nordafrika, wo Millionen auf die Überfahrt nach Europa warteten. „Migrations­partnersch­aften“wie mit der Türkei sollen mit Ägypten und Libyen angepeilt werden. Orbán forderte „große Lager“in Libyen, wo der Zuzug nach Europa geregelt werden soll.

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