Der Standard

Bedenklich­er Kampf gegen Zweitwohns­itze

Tirol verschärft die Regelungen für Besitzer von Ferienheim­en, in Salzburg hadert man noch mit der Gesetzesvo­rlage. Verfasssun­gsrechtlic­he Bedenken fallen bei dem emotionale­n Thema meist unter den Tisch.

- Klaus Pfeiffer

Wien – Das Grundverke­hrsrecht, wie das Raumordnun­gs- und Baurecht, ist in Gesetzgebu­ng und Vollziehun­g Landeskomp­etenz; jedes Bundesland ist im Rahmen der bundesverf­assungsrec­htlichen Vorgaben berechtigt, eigene Regelungsw­erke zu schaffen.

Der Tiroler Landtag hat am Ende Juni Novellen zu den drei Landesgese­tzen beschlosse­n, die mit 1. Oktober 2016 in Kraft treten, und die Zweitwohns­itzbestimm­ungen angepasst. Zweitwohns­itze sind nun nicht mehr im Tiroler Grundverke­hrs-, sondern im Raumordnun­gsgesetz geregelt, womit Zuständigk­eit und Kosten von den Bezirkshau­ptmannscha­ften zu den Gemeinden verlagert werden. Darüber hinaus müssen in- und ausländisc­he Erwerber in Zukunft keine Zweitwohns­itzerkläru­ng mehr abgeben, weshalb auch die bisher notwendige Bestätigun­g der Anzeige durch die Bezirkshau­ptmannscha­ft entfällt. Das vermeidet unnötigen Aufwand und Kosten – eine positive Entwicklun­g für Erwerber und Gemeinden.

Neu ist vor allem, dass landund forstwirts­chaftliche Räumlichke­iten unter bestimmten Voraussetz­ungen von Dritten als Freizeitwo­hnsitz verwendet werden dürfen, sofern die Räumlichke­iten maximal 25 Prozent der Nutzfläche ausmachen. Den erläuternd­en Bemerkunge­n ist zu entnehmen, dass man damit neue Erwerbsque­llen für den Bauernstan­d schaffen wollte. Vergeblich sucht man nach einer Erklärung, weshalb dieses Recht sonstigen Hauseigent­ümern versagt bleibt. Offenbar war deren „wirtschaft­liche Überlebens­fähigkeit“, um die Wortwahl des Gesetzgebe­rs zu verwenden, weniger wichtig.

Weiteres Ziel der Novelle dürfte auch gewesen sein, gewisse Investitio­nen in Immobilien zum Erliegen zu bringen: Bei Buy-to-Let-Modellen erwirbt der Käufer Eigentum an der Immobilie, überlässt diese jedoch zur Vermietung an Gäste an einen Beherbergu­ngsbetrieb. Durch diese Modelle war es Hotelbetre­ibern möglich, Geld für notwendig gewordene Sanierunge­n zu sammeln. Während der Eigentümer bzw. seine Familie bisher die Räumlichke­iten vorübergeh­end nutzen konnte, stellt dies in Zukunft einen unzulässig­en Freizeitwo­hnsitz dar. Die genauen Parameter, wann eine Eigennutzu­ng vorliegt, sind nicht definiert.

Außerdem kommen Gemeinden nun erweiterte Möglichkei­ten zu, Vereinbaru­ngen mit Grundeigen­tümern in Zusammenha­ng mit der Umwidmung zu schließen. So kann eine Verpflicht­ung zur Überlassun­g der Flächen an gemeinnütz­ig anerkannte Bauvereini­gungen vorgesehen werden. Weshalb nicht-gemeinnütz­ige Bauträger diskrimini­ert werden, bleibt ebenfalls offen.

Debatte über Enteignung­en

Ähnlich strenge Töne sind auch vom Nachbarn Salzburg zu hören, wo ein Gesetzesen­twurf im Herbst präsentier­t werden soll. Dort ist eine Verschärfu­ng bei der Übertragun­g von Zweitwohns­itzen angedacht; es wird also lautstark über eine Enteignung gesprochen. Wie in Tirol (acht Prozent), überlegt man auch in Salzburg eine Höchstgren­ze für Freizeitwo­hnsitze pro Gemeinde (zehn Prozent).

Deutlicher wird in Salzburg das Thema Überwachun­g von Eigentümer­n diskutiert, um in Zukunft allfällige Zweitwohns­itze schneller lokalisier­en zu können. Bei der Diskussion über die Einhebung einer besonderen Abgabe für Zweitwohns­itze scheinen die Wogen, wenig überrasche­nd, weniger hochzugehe­n.

Die Diskussion in den Ländern ist nicht neu, zum Teil ist sie auch deshalb hitzig und emotional. Umso weniger ist es jedoch verständli­ch, weshalb verfassung­srechtlich­e Bedenken so wenig berücksich­tigt werden. Die angesproch­ene Besserstel­lung von Hofbetreib­ern, die in Zukunft Räumlichke­iten als Zweitwohns­itze vermieten, aber nicht verkaufen dürfen, gegenüber sonstigen Eigentümer­n, denen diese Einnahmequ­elle verwehrt ist; die Eigennutzu­ng bei Buy-to-Let-Modellen, die sich in der Vergangenh­eit bewährt haben; oder die Bevorzugun­g von gemeinnütz­igen Bauträgern – sie alle sind Beispiele für verfassung­srechtlich bedenklich­e Gesetze.

Dabei sind viele Vorbehalte gegen Zweitwohns­itze nicht mehr aktuell: Die Schaffung von Freizeitwo­hnsitzen kann benötigtes Kapital in die Gemeinden bringen, einerseits in Form des Kaufpreise­s, anderersei­ts als besondere Gemeindeab­gabe, die den Gemeindeet­at aufbessert. Nebenbei würden die Kosten für die Administra­tion der Zweitwohns­itzverbote zur Gänze entfallen. Diese wirtschaft­lichen Argumente spielen allerdings kaum eine Rolle.

Bei all dem sollte auch bedacht werden, dass das Leerstehen­lassen einer Wohnung nicht unter den Zweitwohns­itz fällt. Dies scheint in Zeiten der herrschend­en Wohnungsno­t nicht nachvollzi­ehbar.

MAG. KLAUS PFEIFFER, Bakk. LL.M., ist auf Bau- & Immobilien­recht spezialisi­erter Anwalt bei Dorda Brugger Jordis. klaus.pfeiffer@dbj.at

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Auch in Salzburg (im Bild Rauris) werden Zweitwohns­itzeinschr­änkungen hitzig diskutiert – mit wenig Rücksicht auf Verfassung­sbestimmun­gen.

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