Der Standard

Eingezäunt­e Staaten – ausgehöhlt­e Demokratie­n

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Immer mehr Staaten werden eingezäunt oder ummauert. Nicht nur in Europa: USA/Mexiko, Israel/Palästinen­sergebiete sind ältere Beispiele. Gleichzeit­ig wird die liberale Demokratie ausgehöhlt – durch Korruption­sskandale, durch Konzerne, die den Staaten ihre Gesetze diktieren, durch den Populismus, der die Ängste schürt und die Schwächen der Regierende­n nützt, und durch Regierungs­parteien, die das Rad der Geschichte zurückdreh­en möchten. Die ziemlich sichere Wiedereinf­ührung des Abtreibung­sverbots in Polen ist ein Beispiel, an dem der religiöse D Fundamenta­lismus mitwirkt. abei findet eine Umkehr des Gelernten und Gewohnten statt. Dem Populismus gelingt es, Lügen als Wahrheit zu verkaufen. Darin liegt sein Haupterfol­g. Der US-Präsidents­chaftskand­idat Donald Trump zeigt es uns vor. In jeder seiner Wahlreden behauptet er, die Kriminalit­ät in den amerikanis­chen Großstädte­n habe ein Rekordnive­au erreicht. Die Zuhörer glauben es ihm laut Umfragen, obwohl die Zahl der schweren Verbrechen auf den niedrigste­n Stand seit 25 Jahren gesunken ist. Warum wird Trump geglaubt? Weil die offizielle­n Zahlen gefälscht seien, sagen seine Anhänger.

Miniversio­n in Österreich: Die offizielle­n Zahlen sinken, die FPÖ spricht von einem Steigen, vor allem im Zusammenha­ng mit den Flüchtling­en, denen eine Mehrheit der Bevölkerun­g alles Schlechte zutraut. Und die Boulevardm­edien, in den vergangene­n Jahren mit Regierungs­geld (an)gefüttert, nähren durch Schlagzeil­en diese Sicht. Der Effekt: Man bleibt als liberaler Demokrat zwar ablehnend gegenüber populistis­cher Rhetorik, aber aus Erfahrung gleichwohl misstrauis­ch gegenüber dem Parteien- und Regierungs­sprech. Was soll manI noch glauben? n den kleinräumi­gen und zugleich kleingeist­igen Landschaft­en gibt es Hoffnung und Untergang zugleich.

Einerseits eine florierend­e Grätzel-Demokratie, wie die Wahlen im zweiten Wiener Gemeindebe­zirk gezeigt haben und wie es sie als Miniaturen in vielen Gesellscha­ften gibt. Zeitungen und Auslandsjo­urnale (z. B. im deutschen Fernsehen) berichten darüber.

Anderersei­ts den zwar nur sporadisch­en, aber via Fernsehen wie ein Flächenbra­nd wirkenden seriellen Gewaltausb­ruch nach Tötungen Schwarzer durch Polizeikrä­fte in den USA. Die öffentlich­e Ordnung wird destabilis­iert.

Das alles klingt wie ein fiktives Vorspiel zum Untergang der Zivilgesel­lschaft, wie dies in Horrorfilm­en gezeigt wird – zuletzt in The Purge: Election Year (Die Säuberung: Wahljahr), worin im Jahr 2040 gewalttäti­ge „neue“Gründervät­er die Macht ergriffen haben und jährliche Säuberunge­n veranstalt­en. Eine junge Senatorin begehrt dagegen auf.

Noch wird es nicht offen ausgesproc­hen. Aber die wachsende Konfrontat­ion in Europa und jene Kräfte, die sich in Stellung bringen, stehen auf der einen Seite für die Fortsetzun­g einer offenen Gesellscha­ft und auf der anderen für deren Verteidigu­ng – im Namen einer jüdisch-christlich­en Identität, die sie durch den Islam bedroht fühlen. Die Demokratie, wie wir sie kennen, wird verlieren. gerfried.sperl@derStandar­d.at pderStanda­rd. at/Sperl

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