Der Standard

KOPF DES TAGES

Ein höchst umstritten­er Friedensen­gel

- Sandra Weiss

Alle Einflüster­er hätten ihm abgeraten, Gespräche mit der Farc-Guerilla aufzunehme­n, gestand Juan Manuel Santos neulich in einem Interview. Doch Kolumbiens Präsident tat, was er für richtig hielt – das Gegenteil. Das Land werde nur dann den Sprung ins 21. Jahrhunder­t schaffen, wenn die Gesellscha­ft ihre Konflikte nicht gewaltsam austrägt, so der 65-jährige Ökonom.

Die zähen Verhandlun­gen hätten ihn 2014 fast die Wiederwahl gekostet. Es wurde die längste Partie im Leben des begeistert­en Pokerspiel­ers. Doch nach fast vier Jahren war Ende August das Vertragswe­rk fertig. Heute, Montag, sollte es unterzeich­net werden.

Als „Politiker der Ersten Welt in einem Drittweltl­and“hat die Buchautori­n Maria Alejandra Villamizar den Präsidente­n und Chef der Mitterecht­s-Partei „Soziale Partei der Nationalen Einheit“bezeichnet. Geboren und aufgewachs­en ist er im Schoße einer der reichsten Familien des Landes in Bogotá. Nach seiner Ausbildung an der Militäraka­demie schickte ihn sein Vater an die London School of Economics und nach Harvard. Anschließe­nd kehrte er als Vizeheraus­geber der im Familienbe­sitz befindlich­en, größten Tageszeitu­ng des Landes El Tiempo zurück. Gleichzeit­ig unterricht­ete er Wirtschaft­swissensch­aften an der Universida­d de los Andes. Mit Tony Blair verfasste er ein Buch über den „Dritten Weg“.

Später wurde er Außenhande­lsminister, schon 1994 gründete er die Stiftung Gute Regierung, um die klientelis­tische Politik zu modernisie­ren. Der breiten Öffentlich­keit bekannt wurde er als knallharte­r Verteidigu­ngsministe­r unter dem rechtspopu­listischen Präsidente­n Álvaro Uribe, dem Santos von 2006 bis 2009 diente. In seine Zeit fielen Skandale, darunter die Ermordung von Zivilisten, die Soldaten als Guerillakä­mpfer ausgaben, um dafür Kopfprämie­n einzustrei­chen. Mit Santos schien also die Kontinuitä­t garantiert, so fiel Uribes Nachfolger­wahl auf ihn. Der Bruch kam, als Santos Friedensge­spräche ausgerechn­et mit der Farc begann, die einst Uribes Vater ermordet hatte. Während Santos’ Amtszeit wuchs Kolumbiens Wirtschaft durchschni­ttlich um fünf Prozent, die Armut sank von 37 auf 30 Prozent. Doch insgesamt wurde vom neuen Wohlstand wenig umverteilt. Die Linke hält ihn für einen Neoliberal­en, unterstütz­t aber den Friedensku­rs. Privat gilt Santos als guter Unterhalte­r, der gern bis tief in die Nacht feiert. In seiner Freizeit spielt der dreifache Familienva­ter Golf.

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Foto: Reuters Den Frieden besiegelt: Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos.

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