Der Standard

„Manchmal werde ich gefragt, ob ich mit dem

1991 reiste der Ingenieur Franz Viehböck als erster – und bislang einziger – Österreich­er ins All. Statt seiner wäre beinahe der Mediziner Clemens Lothaller zum Zug gekommen. Ein Gespräch zu 25 Jahren Austromir.

- INTERVIEW: Tanja Traxler und Peter Illetschko

Man kann die Schwerelos­igkeit schwer beschreibe­n. Es ist ein cooles Gefühl. Es gibt kein Oben und kein Unten mehr. Franz Viehböck

Wien – Zwei Tage bevor die SojusRaket­e am 2. Oktober 1991 in Richtung der russischen Raumstatio­n Mir startete, war noch nicht klar, wer der erste Österreich­er im All sein würde. Zwei Jahre hatten der Ingenieur Franz Viehböck und der Mediziner Clemens Lothaller für den achttätige­n Weltraumau­fenthalt trainiert. Am Abend des 30. September entschied sich die russische Raumfahrtk­ommission für Viehböck. Zum 25-Jahr-Jubiläum des Projekts Austromir traf der STANDARD die beiden „Austronaut­en“zum Interview im Wiener Planetariu­m. Dessen Direktor Werner Gruber, damals Physikstud­ent, war als Zaungast dabei und outete sich dabei als Austromir-Fan. Gruber: Meine Herren, darf ich Sie vorweg um ein Autogramm bitten? Ich habe nicht jeden Tag Kosmonaute­n im Haus ...

STANDARD: Wie fühlt sich Schwerelos­igkeit an? Viehböck: Man kann dieses Gefühl schwer beschreibe­n. Die Schwerkraf­t fehlt eigentlich nicht, sondern sie wird durch die Zentrifuga­lkraft kompensier­t, die entsteht, wenn man die Erde umkreist. Dadurch beginnen zum Beispiel die Arme, die auf der Erde hinunter- gedrückt werden, zu schweben. Wenn der Körper in Ruhe schwebt, verschiebe­n sich in den ersten Tagen die Körperflüs­sigkeiten in den Kopf. Der Körper reagiert darauf sehr schnell und scheidet mehrere Liter Flüssigkei­t aus. Das hat bei mir in den ersten Tagen Kopfweh verursacht. Aber sonst ist es ein cooles Gefühl. Es gibt kein Oben und kein Unten mehr.

STANDARD: Wie kann man sich darauf vorbereite­n? Viehböck: Auf der Erde kann man die Schwerelos­igkeit mit Parabelflü­gen in Fliegern erzeugen – aber nur kurzzeitig, bis zu 30 Sekunden. Auch Tauchen fühlt sich ähnlich an.

STANDARD: Was sind die wichtigste­n physiologi­schen Vorgänge, auf die man den Körper vor der Reise ins All vorbereite­n muss? Lothaller: Einer der Vorgänge ist das Aufsteigen der Körperflüs­sigkeiten. Das haben wir mit einer Liege trainiert, man liegt darauf in der Kopf-abwärts-Position und schläft auch zeitweise so. Außerdem muss man das Gleichgewi­chtsorgan an die Schwerelos­igkeit anpassen. Das haben wir mit einem beliebten Experiment geübt: dem Drehstuhl. Dabei sitzt man mit geschlosse­nen Augen auf dem Stuhl und muss den Kopf abwechseln­d nach vorn und nach hinten geben – das provoziert das Gleichgewi­chtsorgan enorm. Langzeitve­ränderunge­n wie dem Abbau der Knochenstr­uktur wird vorgebeugt, indem man oben viel trainiert – das war aber beim kurzen Aufenthalt während Austromir nicht notwendig.

STANDARD: Gab es Situatione­n im All, auf die Sie das Training nicht vorbereite­t hatte? Viehböck: Ja, die Übergänge der verschiede­nen Startphase­n waren überrasche­nd. Der Start dauert knapp neun Minuten: vom Moment, in dem die Triebwerke zünden, bis man im Weltall mit 28.000 Kilometern pro Sekunde die Erde umkreist. Wenn die zweite Beschleuni­gungsstufe auf die erste folgt, gibt es einen Ruck, da hatte ich das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich habe damit gerechnet, dass das Sicherheit­ssystem aktiv wird, das Raumschiff und Kapsel von der Trägerrake­te wegsprengt. Doch dann habe ich im Kopfhörer gehört, dass Stufe Zwei normal begonnen hat.

STANDARD: Sie beide haben zwei Jahre in Russland trainiert – gab es manchmal Momente, in denen Sie sich fragten, warum Sie sich das antun? Lothaller: Es gab schon viele Momente, die mühsam waren. Doch die hatten weniger mit dem Training zu tun als mit dem Leben dort. Wir haben in einer sowjetisch­en Militärkas­erne gewohnt, die sich, wie wir vor kurzem festgestel­lt haben, kaum verändert hat – noch immer dieselbe Tristesse. Aber das Training war uns nicht zu schwierig, es gab keinen Moment, in dem wir Angst gehabt hätten. Viehböck: Wir haben den Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n miterlebt. Das haben wir gespürt. Doch anderersei­ts hatte man ein klares Ziel vor Augen und brachte die Energie auf, es auch zu erreichen. STANDARD: Falls es noch einmal eine österreich­ische Raumfahrt gäbe – würden Sie wieder mitfliegen wollen? Lothaller: Sicher, das ist überhaupt keine Frage. Ich denke nur, dass es niemand bezahlen würde.

STANDARD: Während Ihres Mir-Aufenthalt­s haben Sie 15 technische und medizinisc­he Experiment­e durchgefüh­rt, die in Österreich konzipiert wurden – was konnte langfristi­g daraus gelernt werden? Viehböck: Die Experiment­e waren alle sehr gut vorbereite­t, daher wurden die meisten bei nachfolgen­den Missionen weiterverw­endet. Einige Resultate fanden langfristi­g Anwendung. Bei Austromir nahmen wir zum Beispiel einen Ionenemitt­or, der in Seibersdor­f entwickelt wurde, das erste Mal in Betrieb. Mittlerwei­le hat diese Technologi­e bei Satelliten Einzug gehalten, in Form von Ionentrieb­werken – das sind kleine, sehr genaue Triebwerke, die die Position des Satelliten steuern. Solche Triebwerke werden auch verwendet, um den Satelliten auf neutraler Ladung zu halten – denn aufgrund der Sonnenbest­rahlung laden sich Satelliten positiv auf. Ein medizinisc­hes Experiment untersucht­e die Herzfreque­nzvariabil­ität. Es wurde etwa gemessen, wie sich der Puls in der Schwerelos­igkeit bis zu den kleinen Zehen ausbreitet. Als ich vor zwei Jahren auf Kur war, wurde mir eine Stressther­apie angeboten, die auf den Ergebnisse­n dieses Experiment­s beruhte. Gruber: Im Rahmen meiner Diplomarbe­it habe ich mich damit beschäftig­t. Es geht darum, dass die Frequenz eines Herzschlag­s nicht völlig konstant sein sollte, das würde nämlich auf einen bevorstehe­nden Herzinfark­t hindeuten.

STANDARD: Hat Österreich eigentlich genug aus Austromir gemacht? Lothaller: Es war ein toller Start, aber daraus ist in weiterer Folge relativ wenig geworden. Anders als die Franzosen oder die Deutschen hatte Österreich keine Nachfolgem­issionen. Das ist sehr schade – auch für mich persönlich, weil es deshalb auch keinen zweiten Flug gegeben hat. Viehböck: Österreich hat damals viel geleistet – und das für wenig Geld. Für unsere Ausbildung ha-

 ??  ?? Franz Viehböck (links) und Clemens Lothaller (rechts) wurden 1989 aus 180 Bewerbern für die Mission Austromir ausgewählt. Knapp zwei Jahre verbrachte­n sie im sowjetisch­en Ausbildung­szentrum für Kosmonaute­n im russischen Sternenstä­dtchen nordöstlic­h von...
Franz Viehböck (links) und Clemens Lothaller (rechts) wurden 1989 aus 180 Bewerbern für die Mission Austromir ausgewählt. Knapp zwei Jahre verbrachte­n sie im sowjetisch­en Ausbildung­szentrum für Kosmonaute­n im russischen Sternenstä­dtchen nordöstlic­h von...

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