Ermittler: Russische Rakete schoss MH17 ab
Das Ergebnis ist diesmal eindeutig: Eine russische Rakete habe die Boeing 777 vor zwei Jahren über dem Donbass abgeschossen, erklärten internationale Ermittler. Das Echo in Moskau ist gewaltig. Von Fälschung und bewusster Diffamierung ist die Rede.
Das Dementi kam schon vor dem Verdikt: Bereits zwei Tage vor der Veröffentlichung des lang ersehnten Abschlussberichts zum Abschuss der Boeing 777 über dem Donbass-Gebiet im Juli 2014 hatte das russische Verteidigungsministerium vorsorglich alle möglichen Anschuldigungen als falsch abgetan.
„Die Ukraine drückt sich offen vor der Bereitstellung von Daten und manipuliert den Gang der Ermittlungen, die einer falschen Spur folgen: Von widersprüchlichen Angaben über die Abschussobjekte bis hin zur fehlerhaften Bestimmung des Raketentyps und damit auch des Abschussorts“, hatte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow den Schuldigen für die aus Moskauer Sicht nicht zufriedenstellenden Ergebnisse der Expertengruppe schon im Vorfeld gefunden.
Tatsächlich sind die Aussagen des Abschlussberichts für Moskau äußerst unangenehm: Die mobile Abschussrampe für die Buk-Rakete sei aus Russland in die Rebellengebiete transportiert und von dort anschließend auch wieder zurückgebracht worden, teilte der niederländische Staatsanwalt Franz Westerbeke mit. Damit wird Russland der direkten Beteiligung an dem Abschuss bezichtigt.
Auch den Abschussort lokalisierte das Expertenteam; ein Feld südlich von Snischne. Die Stadt befand sich stets in der Hand der Separatisten. Die konkreten Schuldigen sollen noch benannt werden, doch auch so lehnen sich die Ermittler deutlich weiter aus dem Fenster als bei dem vorsichtig for- mulierten Zwischenbericht vor einem Jahr. Die Lieferung von Luftabwehrsystemen geht weit über die von Moskau eingestandenen „Urlauber im Donbass“hinaus.
Unmittelbare Reaktion
Als „Katastrophe für Image und Moral“charakterisierte der Professor der Moskauer Diplomatenschmiede MGIMO, Waleri Solo- wjej, den Expertenschluss. „Aber die Propaganda wird die russische Gesellschaft vor der Erkenntnis des Geschehens bewahren“, prognostizierte er ironisch – und sollte recht behalten: Die Reaktion fiel heftig aus. Der Gazprom-Sender NTW veranstaltete praktisch parallel zur Offenlegung des Berichts eine Talkshow, in der der kremlnahe Militärexperte Igor Ko- rotschenko die Untersuchung unter allgemeinem Beifall als „gefälscht“bezeichnete. In der hitzigen Debatte wurde dem Westen die Schuld am Vorfall zugeschoben. Ziel sei die Diffamierung Russlands.
Kremlsprecher Dmitri Peskow blieb zurückhaltender, erklärte aber, es gebe „unwiderlegbare Fakten“, die die Unschuld der Aufständischen belegten. Demnach sollen nun neue russische Radarbilder zeigen, dass die Rakete nicht vom Separatistengebiet aus abgefeuert werden konnte.
Russland konzentriert sich in der Argumentation auf zwei offensichtliche Schwächen des Berichts: Geheim gehalten wurden bisher nämlich sowohl die USamerikanischen Satellitenfotos als auch eine Reihe von ukrainischen Dokumenten, die zur Stützung der Abschussthese durch eine russische Buk beitragen könnten. Ihre Freigabe wäre nötig, um Verschwörungstheorien über den Tod der 298 Passagiere an Bord der malaysischen Maschine den Boden unter den Füßen zu entziehen.