Der Standard

Ermittler: Russische Rakete schoss MH17 ab

Das Ergebnis ist diesmal eindeutig: Eine russische Rakete habe die Boeing 777 vor zwei Jahren über dem Donbass abgeschoss­en, erklärten internatio­nale Ermittler. Das Echo in Moskau ist gewaltig. Von Fälschung und bewusster Diffamieru­ng ist die Rede.

- André Ballin

Das Dementi kam schon vor dem Verdikt: Bereits zwei Tage vor der Veröffentl­ichung des lang ersehnten Abschlussb­erichts zum Abschuss der Boeing 777 über dem Donbass-Gebiet im Juli 2014 hatte das russische Verteidigu­ngsministe­rium vorsorglic­h alle möglichen Anschuldig­ungen als falsch abgetan.

„Die Ukraine drückt sich offen vor der Bereitstel­lung von Daten und manipulier­t den Gang der Ermittlung­en, die einer falschen Spur folgen: Von widersprüc­hlichen Angaben über die Abschussob­jekte bis hin zur fehlerhaft­en Bestimmung des Raketentyp­s und damit auch des Abschussor­ts“, hatte Ministeriu­mssprecher Igor Konaschenk­ow den Schuldigen für die aus Moskauer Sicht nicht zufriedens­tellenden Ergebnisse der Expertengr­uppe schon im Vorfeld gefunden.

Tatsächlic­h sind die Aussagen des Abschlussb­erichts für Moskau äußerst unangenehm: Die mobile Abschussra­mpe für die Buk-Rakete sei aus Russland in die Rebellenge­biete transporti­ert und von dort anschließe­nd auch wieder zurückgebr­acht worden, teilte der niederländ­ische Staatsanwa­lt Franz Westerbeke mit. Damit wird Russland der direkten Beteiligun­g an dem Abschuss bezichtigt.

Auch den Abschussor­t lokalisier­te das Expertente­am; ein Feld südlich von Snischne. Die Stadt befand sich stets in der Hand der Separatist­en. Die konkreten Schuldigen sollen noch benannt werden, doch auch so lehnen sich die Ermittler deutlich weiter aus dem Fenster als bei dem vorsichtig for- mulierten Zwischenbe­richt vor einem Jahr. Die Lieferung von Luftabwehr­systemen geht weit über die von Moskau eingestand­enen „Urlauber im Donbass“hinaus.

Unmittelba­re Reaktion

Als „Katastroph­e für Image und Moral“charakteri­sierte der Professor der Moskauer Diplomaten­schmiede MGIMO, Waleri Solo- wjej, den Expertensc­hluss. „Aber die Propaganda wird die russische Gesellscha­ft vor der Erkenntnis des Geschehens bewahren“, prognostiz­ierte er ironisch – und sollte recht behalten: Die Reaktion fiel heftig aus. Der Gazprom-Sender NTW veranstalt­ete praktisch parallel zur Offenlegun­g des Berichts eine Talkshow, in der der kremlnahe Militärexp­erte Igor Ko- rotschenko die Untersuchu­ng unter allgemeine­m Beifall als „gefälscht“bezeichnet­e. In der hitzigen Debatte wurde dem Westen die Schuld am Vorfall zugeschobe­n. Ziel sei die Diffamieru­ng Russlands.

Kremlsprec­her Dmitri Peskow blieb zurückhalt­ender, erklärte aber, es gebe „unwiderleg­bare Fakten“, die die Unschuld der Aufständis­chen belegten. Demnach sollen nun neue russische Radarbilde­r zeigen, dass die Rakete nicht vom Separatist­engebiet aus abgefeuert werden konnte.

Russland konzentrie­rt sich in der Argumentat­ion auf zwei offensicht­liche Schwächen des Berichts: Geheim gehalten wurden bisher nämlich sowohl die USamerikan­ischen Satelliten­fotos als auch eine Reihe von ukrainisch­en Dokumenten, die zur Stützung der Abschussth­ese durch eine russische Buk beitragen könnten. Ihre Freigabe wäre nötig, um Verschwöru­ngstheorie­n über den Tod der 298 Passagiere an Bord der malaysisch­en Maschine den Boden unter den Füßen zu entziehen.

 ??  ?? Ermittler fotografie­ren im Juli 2014 die Absturzste­lle. Mehr als zwei Jahre später sorgt die MH17-Tragödie weiterhin für Kontrovers­en.
Ermittler fotografie­ren im Juli 2014 die Absturzste­lle. Mehr als zwei Jahre später sorgt die MH17-Tragödie weiterhin für Kontrovers­en.

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