Der Standard

Selfie-Tour mit dem Kanzler

Mit einer „Kanzlerbim“tingelte SPÖ-Kanzler Christian Kern – begleitet von einem Medientros­s – in den Grazer Arbeiterbe­zirk Eggenberg. Die Fahrgäste waren nur an einem interessie­rt, einem Selfie mit dem Kanzler. Eine PR-Aktion wie in Wahlkampfz­eiten.

- Walter Müller

Graz – Dieses eine Bild hat bisher irgendwie noch gefehlt auf Instagram, Facebook und Twitter.

Joggen mit dem britischen Außenminis­ter hatten wir schon, Shakehands mit Obama auch, ebenso ein Superbild mit Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau und die nicht minder wichtigen politische­n PR-Ablichtung­en mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Aber was bisher in der Internetga­lerie des SPÖ-Kanzlers Christian Kern fehlte, waren Bilddokume­nte mit der eigenen Klientel, mit den Arbeitnehm­ern, mit der vielbeschw­orenen und umworbenen roten Basis.

Die steirische­n Genossen, die momentan selbst nicht gerade erfolgreic­h unterwegs sind, luden Kern am Mittwoch zu einer „Bimfahrt“in den Arbeiterbe­zirk Eggenberg ein. Also für Kern eine gute Gelegenhei­t, fototechni­sch nachzulege­n. Für die Grazer Genossen ist eine Kanzlervis­ite natürlich eine willkommen­e Imagepolit­ur. Die Fahrgäste können mit dem Kanzler während der Fahrt plaudern – so stand es sinngemäß in der Einladung.

„Wie habt ihr euch das alles vorgestell­t mit den 30 TV-Kameras in der Bim“, ruft eine Kern-Mitarbei- terin nervös zu den lokalen Organisato­ren hin. „Ja, die müssen raus“, tönt es zurück.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Abfahrt ohnehin schon eine halbe Stunde überfällig. Kern genießt, vor der Bim lächelnd, ein „Bad in der Menge“, wie es so schön heißt. Keine Hand bleibt ungeschütt­elt, hier ein amikales „Ciao“, dort ein gesittetes „Grüß Gott“. Und weil ja Begegnunge­n mit Menschen erst dann auch werbetechn­isch von Belang sind, wenn sie auch bildlich dokumentie­rt werden, reduziert sich die Kommunikat­ion vorwiegend auf die beste Selfie-Positionie­rung mit dem Kanzler.

Kern wird popstarmäß­ig umlagert, animiert aber auch selbst zu Fotos: „Wollen sie nicht eines von uns beiden machen?“„Danke“, strahlt die ältere Dame, und Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d drückt auf den Auslöser.

„Ich auch bitte“, drängt ein junger Mann mit Bart nach vorn. Er ist optisch-kulturell in Richtung Hipster einzuordne­n. Er hat seine neunmonati­ge Tochter auf dem Arm. „Na, wie heißt sie denn?“„Sarah“, „Oh ein schöner Name“, lobt Kern. Der Papa strahlt und meint beim Weggehen: „Ich bin ein Fan vom Kern. Ein guter Mann.“Ganz enthusiasm­iert ist auch der Bimfahrer Roman Ma- rics, der sich freiwillig für die Fahrt gemeldet hat. „Ich habe die Ehre, mit Kern zu fahren. Ein charismati­scher Mensch. Wirklich. Der stellt sich auch nach 50 Fotos noch hin und weist niemandem ab.“Die neben ihm stehende Natali Lujic, sie kommt aus Steyr und studiert hier in Graz Mathematik, will jetzt – wegen Kern – den sozialisti­schen Studenten beitreten. „Kern bringt für mich wieder Hoffnung und Optimismus“, sagt sie.

Nachdem die Kameraleut­e die Bim verlassen haben, drängt sich Kern langsam durch den völlig überfüllte­n Wagen. Er spricht jeden an, ist mit den Jungen gleich per du, zeigt sich interessie­rt und gibt kurz Auskunft auf Fragen nach der Spitalsmis­ere, den Pensionen oder den Unialltag. Als Dank gibt’s wieder ein in der Folge sicher oftmals geteiltes Selfie, und so wird aus der kleinen Bimfahrt eine Riesenvera­nstaltung für Kern im virtuellen Raum.

Bisweilen wird der Smalltalk etwas unangenehm, wenn Kern etwa von einer älteren Genossin auf „die Ausländer“angesproch­en wird. „Die Menschen werden ein Teil unsere Gesellscha­ft. Stellen wir sie nicht in die Ecke, sonst werden die Probleme noch größer“, argumentie­rt Kern. Das befriedigt die alte Dame nicht. „Bernd, übernimm du“, tönt es aus dem Begleittro­ss, und schon ist ein Mann zur Stelle, der der skeptische­n Genossin die Sache mit den Ausländern näher erklärt.

Was Kern in jeden Fall aus dem Gespräch mitnimmt: ein „Basis“Foto für die Internetga­lerie.

 ??  ?? Smalltalk in der Grazer Bim mit Kanzler Christian Kern: Der SPÖ-Chef suchte auf der Fahrt in den Grazer Arbeiterbe­zirk Eggenberg den Kontakt mit der „Basis“. Als Dank fürs kurze Gespräch gab’s in der Regel ein Selfie mit dem Kanzler.
Smalltalk in der Grazer Bim mit Kanzler Christian Kern: Der SPÖ-Chef suchte auf der Fahrt in den Grazer Arbeiterbe­zirk Eggenberg den Kontakt mit der „Basis“. Als Dank fürs kurze Gespräch gab’s in der Regel ein Selfie mit dem Kanzler.

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