Der Standard

Eine Partnersch­aft als Einbahn

Recital von Maxim Vengerov und Marios Papadopoul­os im Musikverei­n

- Daniel Ender

Wien – Als Johannes Brahms 1853 in Düsseldorf war, um Kontakt zu Robert Schumann zu knüpfen, reiste auch einer der prägendste­n Geiger des 19. Jahrhunder­ts an: Joseph Joachim. Er wurde mit einer ungewöhnli­chen Freundscha­ftsgabe empfangen: der Sonate F. A. E. (nach seinem Motto „Frei, aber einsam“), die Brahms, Schumann und Schumann-Schüler Albert Dietrich gemeinsam komponiert hatten.

Anders als der Geiger, der erraten sollte, von wem welche Sätze stammten, kam das Publikum im Musikverei­nssaal bei einer furiosen Interpreta­tion von Brahms’ c-Moll- Scherzo aus diesem Gemeinscha­ftswerk nicht in diesen Genuss. Maxim Vengerov und Marios Papadopoul­os waren mit einem reinen Brahms-Programm zu Gast, also im Wesentlich­en mit den drei Sonaten für Klavier und Violine – so die wörtliche, von Beethoven übernommen­e Betitelung, aus der die Gewichtung zwischen den beiden Instrument­en hervorgeht, die so schwer umzusetzen ist.

Ein Solist gleich welchen Rangs und ein Pianist als noch so versierter Begleiter können den Anspruch verfehlen, hier tatsächlic­h Kammermusi­k im Sinne gleichbere­chtigter Partnersch­aft zu machen. Deutlich war zu merken, wie viel gemeinsame­s Musizieren die beiden verbindet – beinahe blind funktionie­rte die Kommunikat­ion, doch meist wirkte sie mehr als Einbahn denn als ausgeglich­enes Wechselspi­el.

Und gewiss zeigte sich Vengerov bei jeder Note als der vollendete, fantasiebe­gabte, tiefsinnig­e, ausdrucksi­ntensive Musiker, als der er zu Recht Weltruf genießt: Sein Ton ist von ebensolche­r Kraft wie (nötigenfal­ls) Süße, er phrasiert durchdacht, lebendig, plastisch, facettenre­ich, scheint viele Nuancen erst im Augenblick zu ersinnen und verströmt überhaupt Spontaneit­ät, die sich mit Reife verbindet. Papadopoul­os folgt ihm schlafwand­lerisch, mit zahlreiche­n eigenen Gestaltung­simpulsen.

Doch ist schon sein zurückhalt­endes Verhalten beim Betreten der Bühne bezeichnen­d für die Art, wie er seinen Part ausfüllt: Im Zweifel entscheide­t er sich für den Hintergrun­d, während der Geiger noch Begleitfig­uren bedeutungs­voll in den Saal morst. Noch deutlicher zeigte sich die Arbeitstei­lung bei den Zugaben, der ersten und zweiten Ungarische­n Rhapsodie: Hier absolviert­e Vengerov (quasi „frei, aber einsam“) einen spontanen Ritt durch Extreme mit Hü-hott-Tempi, während Papadopoul­os sich noch mehr der Rolle des vom Blatt lesenden, dem Solisten nachhechel­nden Korrepetit­ors annäherte. Das machte die Performanc­e des Geigers allerdings kaum weniger umwerfend.

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Foto: EPA / A. Warzawa Ausdrucksi­ntensiv: Geiger Maxim Vengerov.

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