Der Standard

Eine Steilvorla­ge für die FPÖ

Mit seinen Äußerungen schadet Höchstrich­ter Schnizer dem Verfassung­sgericht

- Sebastian Fellner

Oft ist gut gemeint das Gegenteil von gut. Zum Beispiel dann, wenn ein Verfassung­srichter an die Öffentlich­keit geht, um angesichts wachsender Kritik an einer historisch­en Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs Stellung dazu zu nehmen.

Johannes Schnizer verteidigt­e die Entscheidu­ng des Höchstgeri­chts, den zweiten Wahlgang der Bundespräs­identenwah­l aufzuheben, in Interviews mit dem Falter und in der ZiB 2. Doch mit seiner Offenheit schuf er neue Angriffsfl­ächen für jene, die den VfGH diskrediti­eren wollen.

Denn ohne erkennbare Not wirft der Höchstrich­ter der FPÖ Schwerwieg­endes vor: Sie habe schon vor dem zweiten Wahlgang von Rechtswidr­igkeiten beim Ablauf der Wahl gewusst – aber bewusst geschwiege­n, um die Wahl erst im Fall einer Niederlage ihres Kandidaten Norbert Hofer anzufechte­n. Die Anfechtung­sschrift der Freiheitli­chen, die Parteianwa­lt Dieter Böhmdorfer präsentier­t hatte, sei zu umfangreic­h gewesen, um sie innerhalb nur einer Woche vorbereite­t zu haben, argumentie­rt Schnizer. amit serviert der Verfassung­srichter der FPÖ eine Vorlage für die weitere Diskrediti­erung demokratis­cher Institutio­nen. Schon die Schlampere­ien beim zweiten Wahlgang nutzt die Partei ja seit Monaten, um gezielt Zweifel an den zentralen staatliche­n Einrichtun­gen zu säen – wobei das Opfer natürlich stets sie selbst und der Täter das politische Establishm­ent sei.

So plausibel Schnizers Vorwurf angesichts der Vorgänge vor und nach dem 22. Mai, dem Tag der Stichwahl um das Bundespräs­identenamt, auch sein mag: Der Richter hat sich damit gegen eine der Parteien in diesem so bedeutende­n Verfahren gestellt – und das nach seinem Urteil, aber bevor die angeordnet­e Wahlwieder­holung umgesetzt wurde.

Und dann ist da noch die Möglichkei­t einer weiteren Anfechtung. Die FPÖ würde keine Sekunde zögern, die politische Unabhängig­keit des gesamten Gerichts infrage zu stellen. Damit wäre nicht nur das Vertrauen in demokratis­che Wahlen beschädigt, sondern auch jenes in die Entscheidu­ngen des VfGH. Das wird nicht besser, wenn Schnizer freimütig bekanntgib­t, Alexander Van der Bellen gewählt zu haben.

DNatürlich ist es kein Geheimnis, aus welcher politische­n Ecke Schnizer kommt. Der Jurist war einst SPÖ-Mitarbeite­r und Kabinettsc­hef des damaligen Bundeskanz­lers Alfred Gusenbauer. Dass er die Entscheidu­ng im Sinne der FPÖ mitträgt, zeigt auch, dass er sich in seiner Arbeit nur der Verfassung und nicht seiner eigenen politische­n Einstellun­g verpflicht­et fühlt.

Doch auch wenn Höchstrich­ter bei ihrer Bestellung politisch zuordenbar sind: Danach sollten sie die Unabhängig­keit der Gerichtsba­rkeit nicht nur verinnerli­chen, sondern auch nach außen hin zeigen. Diesem Ideal hat Schnizer mit seinem Schritt an die Öffentlich­keit nicht entsproche­n.

Dass Schnizer seinen Vorwurf später als „persönlich­e Meinung“relativier­t hat – eine Position, die auch Gerichtspr­äsident Gerhart Holzinger als Rechtferti­gung verwendet –, ändert nichts an der Grundprobl­ematik. Auch Höchstrich­ter sind zu privaten Meinungsäu­ßerungen berechtigt. Aber in öffentlich­en Aussagen, die einen der heikelsten Fälle in der Geschichte betreffen, kann man von ihnen mehr Sensibilit­ät verlangen, als Schnizer sie gezeigt hat.

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