KOPF DES TAGES
Ein echter Linker mit katholischen Wurzeln
Es war die Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof (VfGH), die Johannes Schnizer sein Karriereziel setzen ließ: Er wollte schon in jungen Jahren Richter am Höchstgericht werden. Den Mitarbeiterposten wollte er 1982 nur für zwei Jahre übernehmen, doch es wurden zehn. Schnizer, 1959 in Graz geboren, entdeckte seine Leidenschaft fürs Verfassungsrecht und ließ sich trotz anfänglicher Skepsis in Wien nieder. Heute lebt er dort nach einer Scheidung ohne leibliche Kinder mit der SPÖ-Abgeordneten Andrea Kuntzl.
Der Sohn eines Kirchenrechtlers fühlt sich weder dem Glauben an Gott noch der Amtskirche verpflichtet, ist aber mit einem christlichen Wertegerüst ausgestattet und fand das weltanschauliche Fundament dafür weit links im politischen Spektrum, wie Weggefährten sagen. So wirkte er im Hintergrund an der juristischen Bekämpfung der Verbauung der Hainburger Au mit und hegte später starke Sympathien für die Grünen.
Die Sorge wegen Jörg Haiders politischen Aufstiegs trieb den späteren Höchstrichter dann zur Sozialdemokratie: Rote Freunde überzeugten ihn, dass Haider politisch am besten durch die SPÖ zu bekämpfen sei. 1992 wechselte Schnizer also von seiner Mit- arbeiterstelle im VfGH in den Parlamentsklub der SPÖ, wo er die nächsten 14 Jahre als verfassungsrechtlicher Referent politische Grundsatzarbeit leistete.
Josef Cap, ehemaliger SPÖ-Klubchef, lernte Schnizer da bestens kennen und nennt ihn einen „exzellenten Verfassungsjuristen“, der mit „unfassbarem, fast enzyklopädischem Wissen ausgestattet“sei. Er werde zwar manchmal emotional, sei aber auch dann rational. „Er kann in keiner Phase den Juristen verleugnen“, sagt Cap.
2010 erreicht Schnizer dann sein Ziel von 1982: Durch Nominierung der Bundesregierung wird er Richter am VfGH. In Juristenkreisen ist für den Höchstrichter nur Lob zu hören. Für Klaus Poiner, ÖVP-naher Spitzenjurist an der Uni Graz, ist Schnizer ein „ausgezeichneter Jurist“, der stets eine klare Linie vertrete. Anwalt Alfred Noll, der die Wahlaufhebung heftig kritisierte, nennt Schnizer „hochqualifiziert“und „hervorragend“.
Jetzt hat sich der Richter mit roten Wurzeln weit aus dem Fenster gelehnt, um die Entscheidung des VfGH zur Aufhebung der Bundespräsidentenstichwahl zu verteidigen. Mit seiner Attacke auf die FPÖ ist er in den Schlagzeilen gelandet. Er allein weiß, ob das nun rationales Kalkül oder emotionaler Ausritt war.