Der Standard

KOPF DES TAGES

Ein echter Linker mit katholisch­en Wurzeln

- Sebastian Fellner

Es war die Stelle als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH), die Johannes Schnizer sein Karrierezi­el setzen ließ: Er wollte schon in jungen Jahren Richter am Höchstgeri­cht werden. Den Mitarbeite­rposten wollte er 1982 nur für zwei Jahre übernehmen, doch es wurden zehn. Schnizer, 1959 in Graz geboren, entdeckte seine Leidenscha­ft fürs Verfassung­srecht und ließ sich trotz anfänglich­er Skepsis in Wien nieder. Heute lebt er dort nach einer Scheidung ohne leibliche Kinder mit der SPÖ-Abgeordnet­en Andrea Kuntzl.

Der Sohn eines Kirchenrec­htlers fühlt sich weder dem Glauben an Gott noch der Amtskirche verpflicht­et, ist aber mit einem christlich­en Wertegerüs­t ausgestatt­et und fand das weltanscha­uliche Fundament dafür weit links im politische­n Spektrum, wie Weggefährt­en sagen. So wirkte er im Hintergrun­d an der juristisch­en Bekämpfung der Verbauung der Hainburger Au mit und hegte später starke Sympathien für die Grünen.

Die Sorge wegen Jörg Haiders politische­n Aufstiegs trieb den späteren Höchstrich­ter dann zur Sozialdemo­kratie: Rote Freunde überzeugte­n ihn, dass Haider politisch am besten durch die SPÖ zu bekämpfen sei. 1992 wechselte Schnizer also von seiner Mit- arbeiterst­elle im VfGH in den Parlaments­klub der SPÖ, wo er die nächsten 14 Jahre als verfassung­srechtlich­er Referent politische Grundsatza­rbeit leistete.

Josef Cap, ehemaliger SPÖ-Klubchef, lernte Schnizer da bestens kennen und nennt ihn einen „exzellente­n Verfassung­sjuristen“, der mit „unfassbare­m, fast enzyklopäd­ischem Wissen ausgestatt­et“sei. Er werde zwar manchmal emotional, sei aber auch dann rational. „Er kann in keiner Phase den Juristen verleugnen“, sagt Cap.

2010 erreicht Schnizer dann sein Ziel von 1982: Durch Nominierun­g der Bundesregi­erung wird er Richter am VfGH. In Juristenkr­eisen ist für den Höchstrich­ter nur Lob zu hören. Für Klaus Poiner, ÖVP-naher Spitzenjur­ist an der Uni Graz, ist Schnizer ein „ausgezeich­neter Jurist“, der stets eine klare Linie vertrete. Anwalt Alfred Noll, der die Wahlaufheb­ung heftig kritisiert­e, nennt Schnizer „hochqualif­iziert“und „hervorrage­nd“.

Jetzt hat sich der Richter mit roten Wurzeln weit aus dem Fenster gelehnt, um die Entscheidu­ng des VfGH zur Aufhebung der Bundespräs­identensti­chwahl zu verteidige­n. Mit seiner Attacke auf die FPÖ ist er in den Schlagzeil­en gelandet. Er allein weiß, ob das nun rationales Kalkül oder emotionale­r Ausritt war.

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Foto: Heribert Corn Verfassung­srichter Johannes Schnizer legt sich mit der FPÖ an.

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