Der Standard

Nach Steuerrefo­rm: Realeinkom­men sinken 2017 wieder

Höhere Inflation, kalte Progressio­n fressen Lohnsteige­rungen auf – Wachstum flaut ab

-

Wien – 2017 wird die österreich­ische Wirtschaft wieder schwächer wachsen, die Forschungs­institute Wifo und IHS haben ihre Prognosen für kommendes Jahr am Donnerstag nach unten revidiert. Ein Grund dafür: Die Realeinkom­men schrumpfen, nachdem sie heuer dank Steuerrefo­rm um fast drei Prozent gestiegen sind.

Ursache für die Entwicklun­g ist eine Kombinatio­n aus schwachen Lohnabschl­üssen und steigender Inflation. Dazu kommt die kalte Progressio­n – das Rutschen in höhere Steuerklas­sen wegen der Lohnzuwäch­se. 2017 rechnet das Wifo daher mit einem Minus der Realeinkom­men pro Kopf von 0,2 Prozent. Das österreich­ische Wirt- schaftswac­hstum soll sich auf 1,5 (Wifo) bzw. 1,3 Prozent (IHS) verlangsam­en.

Keine Entwarnung gibt es für den Arbeitsmar­kt: Weil 2017 zunehmend Asylberech­tigte in der Jobstatist­ik auftauchen, wird die Arbeitslos­igkeit auf 9,5 Prozent steigen. Wifo-Chef Christoph Badelt meint, man müsse sich an das bescheiden­e Wachstum gewöhnen. (red)

Wien – Die heuer von der Steuerrefo­rm ausgehende Stärkung der Realeinkom­men wird nicht lange währen. Bereits im kommenden Jahr rechnen die Wirtschaft­sforscher bereits wieder mit schrumpfen­den Löhnen und Gehältern – brutto wie netto. Steigende Inflation und kalte Progressio­n sorgen dafür, dass den Österreich­ern 2017 wieder etwas weniger in der Geldbörse übrigbleib­en wird. Das Wifo beispielsw­eise geht von einem Minus bei den Löhnen und Gehältern pro Kopf von 0,1 Prozent brutto und 0,2 Prozent netto aus.

Hauptgrund dafür ist die Inflation, die sich im kommenden Jahr wegen wieder anziehende­r Rohölpreis­e auf 1,7 Prozent beschleuni­gen wird, wie das Wirtschaft­sforschung­sinstitut prognostiz­iert. Die Lohnabschl­üsse können damit nicht Schritt halten, erläutert Wifo-Konjunktur­forscher Marcus Scheibleck­er. Der Grund: In den aktuellen Verhandlun­gen wird die Teuerung des laufenden Jahres als Grundlage herangezog­en, und die ist mit einem Prozent moderat. Und dann wären da auch noch die automatisc­hen Vorrückung­en in höhere Steuerklas­sen, wegen der die Steuerbela­stung überpropor­tional ansteigt. Die kalte Progressio­n soll zwar entschärft werden, die Regierung hat entspreche­nde Maßnahmen aber erst für 2018 in Aussicht gestellt und noch keine Einigung über das Wie erzielt.

Die rückläufig­e Einkommens­entwicklun­g wird im kommenden Jahr auch den Konsum wieder abschwäche­n. Heuer hingegen sorgen die Steuerrefo­rm (brachte eine Entlastung der Löhne und Gehälter von 2,9 Prozent) und die zusätzlich­en Ausgaben für Flüchtling­e für einen kräftigen Schub: Der Konsum steigt nach jahrelange­r Stagnation um 1,5 Prozent, wie Wifo und Institut für Höhere Studien in ihren am Donnerstag präsentier­ten Konjunktur­prognosen festhalten.

Arbeitslos­igkeit steigt weiter

Wegen der Abschwächu­ng des privaten Verbrauchs und der mäßigen Entwicklun­g der Weltwirtsc­haft mussten beide Forschungs­institute ihren Ausblick für das kommende Jahr zurücknehm­en. Und auch die stark in Fahrt gekommenen Investitio­nen wachsen im kommenden Jahr nicht mehr ganz so stark wie heuer. Der neue Wifo-Chef Christoph Badelt meinte bei seiner ersten Vorlage der Konjunktur­prognose: „Wir müssen uns an ein bescheiden­es Wachstum und leider auch an hohe Arbeitslos­enraten gewöhnen.“Badelt ermunterte die Politik, die Dauertheme­n Bildung, Forschung und Technologi­e energische­r anzugehen, um das Wachstumsp­otenzial anzuheben.

Auch das IHS hat mit Martin Kocher einen neuen Leiter – der überließ die Präsentati­on aber seinem Mitarbeite­r Helmut Hofer.

Keine Entwarnung geben die Institute bei der angespannt­en Lage am Arbeitsmar­kt. Die Arbeitslos­igkeit wird trotz wach- sender Beschäftig­ung auch 2017 weiter steigen. Dazu tragen auch die Flüchtling­e bei, die im kommenden Jahr in großem Ausmaß Asylberech­tigungen erhalten und somit als arbeitssuc­hend registrier­t werden dürften.

Das von Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) ausgegeben­e Ziel, 200.000 Jobs in den nächsten vier Jahren zu schaffen, hält Badelt für keine große Herausford­erung. Bis zu 80 Prozent der Zahl werden bei anhaltende­r Dynamik beim Jobzuwachs ohnehin erreicht. Vollbeschä­ftigung – ebenfalls vom Kanzler angepeilt – wie vor 20 Jahren sieht Badelt nicht am Horizont.

Defizit steigt

Nicht allzu rosig bewerten die Wirtschaft­sforscher die Budgetlage. Das Haushaltsd­efizit dürfte heuer von zuletzt ein auf 1,6 (Wifo) bis 1,8 Prozent (IHS) steigen. Gründe sind die Steuerrefo­rm und die Zusatzausg­aben im Zusammenha­ng mit der Flüchtling­sbetreuung von rund 2,25 Mrd. Euro. (as)

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria