Der Standard

Das Höchstgeri­cht in schiefem Licht

Verfassung­srichter Schnizer liefert der FPÖ Anlass, sich als Opfer zu präsentier­en

- Alexandra Föderl-Schmid

Johannes Schnizer hat sich und dem Verfassung­sgerichtsh­of einen schlechten Dienst erwiesen. Dass er als Mitglied des Gerichtsho­fs den Spruch zur Aufhebung der Stichwahl des Bundespräs­identen verteidigt, gehört zu seinem Job – nicht aber, dass er öffentlich seine Einschätzu­ng wiedergibt, dass es „offenkundi­g“schon vor der Stichwahl Vorbereitu­ngen für eine Wahlanfech­tung aufseiten der FPÖ gegeben habe. Wenn ein Verfassung­srichter dies öffentlich erklärt, dann wiegt das schwer. In seiner Funktion sollte sich Schnizer dessen bewusst sein, dass sein Wort besonderes Gewicht hat. Er nützt damit der FPÖ, die diese Vorlage sofort aufgegriff­en und sich wieder einmal als Opfer präsentier­t hat.

Ihr Anwalt Dieter Böhmdorfer sprach von „unfassbare­n strafrecht­lichen Vorwürfen“und behauptete, Schnizer habe der Partei „kriminelle Vorbereitu­ngen“vorgeworfe­n – was Schnizer nicht getan hat. Böhmdorfer nahm sogar das unsägliche Wort „Gesinnungs­terror“in den Mund. Diese Reaktion ist überschieß­end, und Böhmdorfer agiert einmal mehr nicht als Anwalt, sondern als Sprecher der FPÖ in der Öffentlich­keit.

Aber auch wenn man an keine Verschwöru­ngstheorie­n glaubt, die pikanterwe­ise von FPÖSympath­isanten – Stichwort Zaubertint­e – besonders gern in die Welt gesetzt werden: Es gibt Aussagen, die belegen, dass die FPÖ schon vor und am Wahlabend Zweifel an der Briefwahl geäußert hat. Bereits am Tag vor dem Urnengang gab FPÖ-Generalsek­retär Herbert Kickl eine Aussendung heraus, wonach „bei der Briefwahl immer wieder Ungereimth­eiten“auftreten und „ob bei Verfügungs­berechtigu­ng und Auszählung tatsächlic­h dem Wählerwill­en entsproche­n wird“. Am Wahlabend meinte Kandidat Norbert Hofer: „Bei den Wahlkarten wird immer ein bisschen eigenartig ausgezählt“, und Parteichef Heinz-Christian Strache zweifelte im ORF an, dass es bei den Wahlkarten „so ein diametrale­s Ergebnis gegen den allgemeine­n Wahltrend“geben könne.

Dass die Zweifel derart orchestrie­rt geäußert wurden, ist ein Faktum, das andere Zweifel erst recht schürt. Es stellt sich die Frage, wie glaubwürdi­g angesichts dieser Aussagen Böhmdorfer­s Behauptung ist, man habe keinerlei Hinweise gehabt.

Dazu kommt, dass in Juristenkr­eisen schon seit Wochen darüber diskutiert wird, wie man eine 150-Seiten-Anfechtung­sschrift binnen weniger Tage verfassen kann. Ob der Vorwurf, dass die FPÖ ihre Anfechtung­sschrift bereits länger vorbereite­t habe, überhaupt strafrecht­lich relevant ist, das ist unter Juristen umstritten. Gleiches gilt für die Aussagen Schnizers. Die FPÖ hat ihm auch keine Klage, sondern lediglich die Aufforderu­ng zukommen lassen, seine Behauptung­en zurückzune­hmen – was Schnizer bis Donnerstag­abend nicht getan hat.

Auch wenn Gerichtspr­äsident Gerhart Holzinger die Aussagen Schnizers als „Privatmein­ung“deklariert, so haben dessen Äußerungen dem Gericht geschadet. Denn Schnizer hat sich auch noch als Van-der-Bellen-Wähler deklariert. Damit ist er zu Recht dem Vorwurf der Parteilich­keit ausgesetzt – wie auch Verfassung­srechtler Heinz Mayer, der in dieser Causa seine Meinung überrasche­nd geändert hat.

Es geht deshalb auch nicht nur um Schnizer, sondern um das Ansehen eines der drei Höchstgeri­chte – und um die Unparteili­chkeit der Justiz, die ein Richter selbst infrage gestelllt hat.

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