Zukunftsvisionen junger Steirer
Das Performanceduo El Conde de Torrefiel – erstmals zu Gast in Österreich – hat junge Steirerinnen und Steirer nach ihrer Vorstellung von Zukunft befragt. Die Antworten münden in die Performance „Guerrilla“.
Graz – Die Schweizerin Tanya Beyeler und der Spanier Pablo Gisbert haben vor sechs Jahren die Performancegruppe El Conde de Torrefiel (mit wechselndem Ensemble) gegründet, übersetzt: „Der Graf von Torrefiel“(Torrefiel ist ein Stadtteil von Valencia). In kurzer Zeit hat das Duo mit einer hybriden, zwischen Kurzgeschichte, Choreografie und Tableaux vivants changierenden Bühnenkunst international Aufmerksamkeit erlangt. Obwohl namentlich an die spanische Stadt Valencia geknüpft, ist die Gruppe womöglich die „europäischste“, die man sich derzeit vorstellen kann. Und das vor allem ihrer Themen und Herangehensweisen wegen.
Schon die Vorgängerarbeit Die Möglichkeit, die angesichts der Landschaft verschwindet (Originaltitel: La posibilidad que desaparece frente al paisaje), die in diesem Herbst noch in Marseille und Paris zu sehen sein wird, markierte den Beginn einer profunden Auseinandersetzung mit Europa und seinen überlagerten, unsichtbaren, aber im Untergrund weitergärenden Kriegsschauplätzen. Das Stück tourte durch acht europäische Städte von Thessaloniki über Kiew bis Lanzarote.
Guerrilla, die jüngste Arbeit des Duos mit Homebase in Barcelona, befragt nun die Zukunft des Kontinents und seiner Ränder. Urauf- führung war im Frühling beim Kunstenfestival in Brüssel. Nach weiteren Stationen in Groningen und Dublin macht der Steirische Herbst seinem Entdeckerruf wieder alle Ehre und bringt die Gruppe erstmals nach Österreich. El Conde de Torrefiel zeigt eine regional neu adaptierte Version der Uraufführung: Menschen aus der Steiermark erhalten in Guerrilla eine Stimme.
Junge Mitmachwillige aus der Steiermark wurden gecastet und haben gemeinsam mit dem künstlerischen Team in Sommerworkshops Passagen des Stücktextes neu entwickelt. In Guerrilla wird eine nachkommende Generation nach ihren persönlichen Zukunftsvorstellungen befragt. Die gestellten Fragen haben durchaus Suggestivkraft: „Was bedeutet das Wort Feind für Sie?“Oder: „Was würden Sie tun, wenn morgen Krieg wäre?“
Komödiantisches Kalkül
Die Visionen von Zukunft werden im Orpheum über drei monumentale choreografische Settings transportiert: eine Konferenz, eine Tai-Chi-Stunde und eine Partynacht. Dabei stehen einander Bild und Text gegenüber bzw. verhalten sich – nicht ohne schelmi- sches Kalkül – widersprüchlich zueinander. Dass gelacht werden darf in diesen schwarzen Komödien der Realität, weisen schon die hier vorgezeichneten fantasievollen Imaginationen der kommenden Jahre aus.
Ein Beispiel: Die Geologische Universität von Peking lässt 2021 ein neu entwickeltes Messgerät die Entdeckung machen, dass die Erde in ihrem Inneren überraschenderweise gänzlich hohl ist. Ups! Zwei Jahre später erfährt die Menschheit über eine Hackerplattform, dass ein Exilprojekt auf dem Mond für leider nur 4500 Erdenbürger fertiggestellt wurde.
Dabei dräut Ungemach. Werden sich doch im Mai 2023 Russland, China, Indien und Nordkorea zu einer militärischen Allianz zusammengeschlossen haben und im Begriff sein, Europa, den Mittleren Osten und die USA anzugreifen und ausdauernd zu belagern.
Tanya Beyeler und Pablo Gisbert malen den Teufel an die Wand, um ihn sich einmal in aller Ruhe anzuschauen. Geht es in ihren Projekten doch darum, unterdrückte Impulse bewusstzumachen – und zu überprüfen. „Guerrilla“, Orpheum, 14. und 15. 10., jeweils 19.30