Zwischen Produktivität und Obszönität
Die Entlohnung für gemeinnützige Tätigkeiten von Asylwerbern spaltet die Koalition: Die ÖVP befürchtet, dass sich Migranten auf den Weg machen, die SPÖ hält einen Stundentarif unter fünf Euro für blanken Hohn.
Zwei miteinander akkordierte Koalitionskoordinatoren sehen anders aus. Dienstagfrüh nach dem Ministerrat dauerte es nur wenige Minuten, bis Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) offen seinen Dissens mit dem schwarzen Regierungspartner zur Schau stellte. Angesprochen auf den Vorstoß von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), Asylwerber künftig österreichweit für gemeinnützige Tätigkeiten mit 2,50 Euro die Stunde zu entlohnen, erklärte er ohne Umschweife: „Ich finde, ehrlich gesagt, für eine Stunde Arbeit eines Menschen einen Betrag von 2,50 Euro obszön.“
Das saß. Da konnte ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer an Drozdas Seite noch so sehr beschwichtigen, dass es angesichts der hochgehenden Emotionen eine sachliche Debatte bräuchte. Dass es sich bei den Tätigkeiten für Asylwerber ja um keine Arbeit nach dem Kollektivvertrag handle. Sondern um eine „Spezialsituation“, nämlich um die Beschäftigung für Menschen, die nicht tagaus, tagein herumsitzen sollen.
Doch Drozda legte unbeirrt nach: „Man kann es nüchtern bewerten. Aber das Signal ist ein anderes“, sagte er.
Hintergrund des Disputs: Erst vergangene Woche hatten die Flüchtlingsreferenten der Länder einen Stundenlohn von fünf Euro für die Hilfsjobs vorgeschlagen, die Asylwerber annehmen können – bei einer maximalen Wochenarbeitszeit von zehn Stunden. Minister Sobotka hingegen sieht darin schon einen Anreiz, dass sich Wirtschaftsflüchtlinge aus Tschetschenien, Afghanistan oder Afrika „sofort auf den Weg“hierher machen, denn derartige Ankündigungen würden sich wie ein Lauffeuer in der Schlepperszene verbreiten, befürchtet er.
SPÖ sieht rot
Doch schon seit mehr als zehn Jahren dürfen Asylwerber in Österreich bis zu 110 Euro im Monat mit Tätigkeiten wie „Landschaftspflege“bei Bund, Ländern und Gemeinden dazuverdienen, ohne Leistungen aus der Grundversorgung einzubüßen – und was darüber liegt, wird ihnen eben als Kostenbeitrag für die Versorgung angerechnet. Bezahlt werden laut Verordnung bis dato drei bis fünf Euro die Stunde, woraus sich im Fall des Höchsttarifs eine maximale Einsatzzeit von 22 Stunden pro Monat ergibt.
Während die Flüchtlingsreferenten den Freibetrag auf 200 Euro anheben wollen, was also 40 Arbeitsstunden im Monat entspräche, besteht Sobotka darauf, den bisherigen Höchstverdienst beizubehalten. Damit könnten die auf ihren Asylbescheid Wartenden also 44 Stunden im Monat arbeiten, bis sie an der Zuverdienstgrenze kratzen.
Wie Mahrer wollte auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bei dem Thema „keinen ideologischen Konflikt“sehen. Allerdings lehnte auch Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) – ähnlich wie Drozda – Sobotkas Ansinnen brüsk ab. Er stellte sich vor dem Pressefoyer ebenfalls entschieden auf die Seite der Ländervertreter, weil deren Konzept „produktiv“sei. Ob das Sobotkas Plan denn nicht wäre? Stöger: „So kann man das ausdrücken.“
ÖGB-Präsident Erich Foglar will sich auf Anfrage nicht auf den Streit um die Bezahlung einlassen: Viel wichtiger seien präzise Bestimmungen, um eine Verdrängung regulärer Jobs auszuschließen, sagt er.
Leitl für Arbeit zum Nulltarif
Konkrete Vorstellungen hat hingegen Foglars Sozialpartner von der Arbeitgeberseite. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl zum STANDARD: Damit Asylwerber nicht nur herumsäßen und möglicherweise „auf blöde Gedanken“kämen, würde er das Angebot an gemeinnützigen Tätigkeiten noch viel stärker ausweiten als geplant. Und: „Warum auf zehn Stunden die Woche beschränken?“, fragt Leitl.
Bezahlen würde der Wirtschaftskammerpräsident aber gar nichts, schließlich handle es sich um einen fairen Abtausch: Asylwerber könnten der Allgemeinheit für die staatlich gewährte Grundversorgung auf diese Weise etwas zurückgeben, meint er. So ließe sich dem „populistischen Vorwurf“, dass Asylwerber nur Leistungen kassierten, ohne etwas zu tun, am besten entgegentreten. Leitl überzeugt: „Die meisten wollen ja auch etwas tun.“