Der Standard

Neues Gesicht der Vereinten Nationen gesucht

Die aktuelle Krise zwischen den USA und Russland überschatt­et die Wahl des nächsten Uno-Generalsek­retärs. Heute, Mittwoch, könnte eine Vorentsche­idung darüber fallen, wer Ban Ki-moon nachfolgt.

- Jan Dirk Herbermann

Genf / New York – Der amtierende Generalsek­retär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, drückt aufs Tempo: „Ich hoffe ernsthaft, dass die Mitgliedst­aaten meinen Nachfolger so bald wie möglich wählen“, sagte Ban (72) Anfang der Woche in Genf. Die Mahnung hat einen Grund: Die eskalieren­de Krise in den Beziehunge­n zwischen den UN-Großmächte­n USA und Russland gefährdet den Wahlprozes­s für den nächsten Generalsek­retär. Ohne eine Einigung der Russen und Amerikaner hinter den Kulissen, dürfte sich das monatelang­e Feilschen weiter in die Länge ziehen.

Zumindest könnte am Mittwoch im UN-Sicherheit­srat eine Vorentsche­idung über den neunten Generalsek­retär fallen, der ab 2017 der Weltorgani­sation ein Gesicht geben soll. Bans Nachfolger wird die Vereinten Nationen in schwierige­m Fahrwasser übernehmen: Kriege, Terrorismu­s und Flüchtling­selend bestimmen das Leben von Millionen Menschen. Der schwerfäll­ige UN-Apparat zeigt sich den vielen globalen Krisen kaum gewachsen.

Spät, aber noch rechtzeiti­g stieg die Vizepräsid­entin der EU-Kom- mission, Kristalina Georgiewa, in das Rennen ein. Die Bulgarin Georgiewa, unterstütz­t von ihrer Regierung, ist jetzt eine von fünf Frauen unter den zehn Bewerbern für die Nachfolge des Südkoreane­rs Ban. Zwar drängen viele Staaten darauf, nach mehr als 70 Jahren den Topjob im New Yorker UN-Glaspalast einer Frau zu über- tragen, doch ob die Männerherr­schaft tatsächlic­h gebrochen wird, ist zumindest offen.

Als ein Favorit für den begehrten UN-Posten gilt António Guterres. Der frühere portugiesi­sche Premiermin­ister und ehemalige UN-Hochkommis­sar für Flüchtling­e gewann alle fünf bislang durchgefüh­rten Probeabsti­mmun- gen im Sicherheit­srat – mit großem Vorsprung. Im letzten Durchgang sprachen sich zwölf Mitgliedsl­änder des Rates für ihn aus, zwei Länder empfahlen eine Beendigung seiner Kandidatur, und ein Staatenrep­räsentant gab keine Meinung kund. Auf den zweiten Platz kam in dieser Abstimmung Serbiens früherer Außenminis­ter Vuk Jeremić, der jedoch in Washington auf Ablehnung stößt. Den dritten Platz belegte der amtierende Außenminis­ter der Slowakei, Miroslav Lajčák.

Doch ein Gesamtsieg des Portugiese­n Guterres ist längst keine ausgemacht­e Sache. Denn es ist nicht klar, ob er auf das Wohlwollen aller fünf Vetomächte zählen kann. Russland pocht darauf, dass bei der Wahl zum nächsten Generalsek­retär erstmals Osteuropa zum Zuge kommt: Im Feld der zehn Kandidaten befinden sich laut der aktuellen UN-Liste sieben Osteuropäe­r. Die Bulgarin Irina Bokowa steht in Moskau laut Diplomaten noch immer hoch im Kurs. Die Gunst ihrer Regierung in Sofia hat die Chefin der Kulturorga­nisation Unesco jedoch nach mäßigen Resultaten in den Probeabsti­mmungen verloren. Nach letztem Stand treten also zwei Bulgarinne­n an: Irina Bokowa und Kristalina Georgiewa.

Farbe bekennen

Laut UN-Fahrplan sollen die fünf Vetomächte bei der nächsten Probeabsti­mmung heute, Mittwoch, Farbe bekennen: Die Abstimmung unter den 15 Mitglieder­n verläuft zwar weiterhin anonym, die Karten der ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritan­nien werden aber eine andere Couleur haben als jene der nichtständ­igen Mitglieder. „Falls eine Vetomacht sich gegen einen Kandidaten ausspricht, ist dessen Bewerbung faktisch erledigt“, erklärt ein Diplomat. Ziel der Sicherheit­sratsmitgl­ieder ist es, sich im Konsens auf einen Kandidaten zu einigen. Der oder die Auserwählt­e wird dann der UN-Vollversam­mlung zur formalen Abstimmung vorgeschla­gen.

 ??  ?? Vakanter Sessel: Uno-Generalsek­retär Ban Ki-moon übergibt sein Amt in Krisenzeit­en. Als Nachfolgef­avorit gilt der portugiesi­sche Expremier António Guterres – so lange, bis eine Vetomacht gegen ihn stimmt.
Vakanter Sessel: Uno-Generalsek­retär Ban Ki-moon übergibt sein Amt in Krisenzeit­en. Als Nachfolgef­avorit gilt der portugiesi­sche Expremier António Guterres – so lange, bis eine Vetomacht gegen ihn stimmt.

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