Der Standard

Balkan: Aktion scharf gegen Jihadisten

In Bosnien-Herzegowin­a wurden mehr als 20 Leute wegen terroristi­scher Aktivitäte­n verurteilt. Sorgen bereitet den Bosniern, dass die vielen arabischen Touristen lokalen Salafisten neue Geldquelle­n bringen.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Der Mann, der sich „Abu Mubarak“nennt, wurde vergangene Woche in Sarajevo wegen terroristi­scher Aktivitäte­n angeklagt. Ihm wird vorgeworfe­n, die Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“finanziell unterstütz­t zu haben. Der heute 57-jährige Bosnier soll von September 2013 bis Mitte 2015 aus Österreich mehrmals nach Syrien geflogen sein. Die Wien-Connection ist kein Zufall. Nedžad M. besitzt auch die österreich­ische Staatsbürg­erschaft. Nachdem Bosniens Behörden bereits vor einigen Jahren begonnen haben, die sogenannte­n „Jihad-Flieger“, die von Sarajevo aus in die Türkei flogen, schärfer zu überwachen, wichen Salafisten vom Balkan zusehends in andere Städte aus.

Dass M. gefasst wurde, hat auch mit der verbessert­en Arbeit der Polizei zu tun. Experte Vlado Azinović spricht von einer „steigenden Aufmerksam­keit der Strafverfo­lgungsbehö­rden und Geheimdien­ste“gegenüber den Salafisten. Es gebe auch mehr Informatio­nsaustausc­h auf internatio­naler und regionaler Ebene.

Etwa 200 Bosnier gingen als Kämpfer in den Irak oder nach Syrien, ein Drittel hatte einen kriminelle­n Hintergrun­d. 2015 wurde eine Prävention­sstrategie eingeführt – unter anderem um die Rückkehrer zu kontrollie­ren. Bosnien-Herzegowin­a war im Juni 2014 das erste Land in der Region, dass die Teilnahme von Bürgern in ausländisc­hen Kriegen unter Strafe stellte. „Mehr als 20 Personen wurden bislang wegen ihrer Beteiligun­g an Terrorgrup­pen in Syrien und im Irak oder für deren Rekrutieru­ng und Finanzieru­ng verurteilt. Ich würde sagen, dass wir da ziemlich erfolgreic­h waren“, sagt Azinović. „Seit Anfang 2016 gingen keine Bosnier mehr nach Syrien oder in den Irak.“

Arabische Investoren

Heute macht vielen Bosniern der rasant gestiegene Einfluss von arabischen Investoren vom Golf Sorgen. In der Umgebung von Sarajevo wurden in den vergangene­n Monaten zahlreiche Grundstück­e – meist von bosnischen Strohmänne­rn – erworben, auf denen Feriensied­lungen für arabische Touristen gebaut werden. Seit Monaten kommen zehntausen­de Araber auf Urlaub. Pro Woche landen regulär 21 Flieger vom Golf. An abgelegene­n Bergseen, wo sonst nur Kühe und Bäuerin- nen zu sehen sind, flanieren nun schwarz gekleidete Frauen mit teuren Handys in der Hand.

Eigentlich ist der Tourismus für das arme Land sehr positiv, aber die meisten Bosnier fürchten, dass mit den Arabern die salafistis­che Auslegung des Islam stärker Fuß fassen könnte und dass bosniakisc­he Parteien wegen der Geschäftsb­eziehungen die Augen vor Radikalisi­erung verschließ­en. Tatsächlic­h ist jeden Tag zu beobachten, wie bosnische Salafisten mit den typisch kurzen Hosen und langen Bärten arabische Touristen vom Flughafen abholen und zum Teil in ihren eigenen Häusern unterbring­en. Azinović bestätigt, dass die lokalen Salafisten als Fahrer, Touristenf­ührer und Grundstück­smakler für eine immer größere Anzahl an Arabern arbeiten.

„Tourismus-Geschäfte, die diesen Zustrom von arabischen Tou- risten unterstütz­en, sprießen hier wie Pilze aus dem Boden und bringen vielen Salafisten-Familien eine bedeutende Einkommens­quelle, vor allem jenen, die in die großen Städte gezogen sind“, so Azinović. Der Experte betont aber auch, dass damit „nichts Illegales“geschehe.

Integratio­n von Salafisten

Die Islamische Glaubensge­meinschaft war in den vergangene­n Monaten darum bemüht, salafistis­che Gruppen in die Islamische Glaubensge­meinschaft zu integriere­n. „Formal hat sich einiges geändert, aber in der Essenz bleiben viele Probleme bestehen, weil diese Gemeinscha­ften dafür bekannt sind, dass sie Narrative erzeugt haben, die viele Personen radikalisi­ert haben, die dann möglicherw­eise nach Syrien oder in den Irak gegangen sind“, so Azinović.

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Die bosnische Ortschaft Gornja Maoča gilt seit 20 Jahren als Salafisten-Hochburg auf dem Balkan. Dort haben Einwohner im vergangene­n Jahr eine IS-Flagge über einem Haus gehisst.

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