Der Standard

Wirklich alle Wirkstoffe aus der Olive heraushole­n

Olivenöl ist ebenso gesund wie traditions­reich. Doch bei der Produktion fallen Unmengen an Abfall an. Ein internatio­nales Forscherte­am will daraus nun Wirkstoffe für Pharma, Nahrung und Kosmetika gewinnen.

- Alois Pumhösel

Innsbruck – Es ist eines der Fundamente mediterran­er Küche. Konsum und Handel gehen zumindest bis ins sechste Jahrtausen­d vor unserer Zeitrechnu­ng zurück. Selbst Homer spricht in seinen antiken Epen davon und schon bei den Römern gehörte es zu den Grundnahru­ngsmitteln: das Olivenöl.

Aus den antiken Olivenhain­en sind heute die Plantagen der Agrarindus­trie geworden. Zwei Millionen Liter Öl werden in Europa pro Jahr hergestell­t. Spanien ist mit Abstand größter Produzent vor Italien und Griechenla­nd. Nicht nur der Siegeszug der italienisc­hen Küche, auch das gesunde Image des Olivenöls sorgen für steigende Pro-KopfVerbrä­uche.

Doch die Olivenölin­dustrie hat auch ihre Schattense­iten. Dazu gehören 30 Millionen Tonnen Abfälle: Pressrücks­tände, Olivenblät­ter, Waschwasse­r und dünnflüssi­ger Schlamm, die nicht oder nicht in dieser Menge kompostier­t werden können. Bei manchen Produktion­sstätten bilden mit Ölrückstän­den versetzte Abwässer ganze Seen, die bei warmem Wetter üblen Gestank verbreiten.

Bei der Entwicklun­g von umweltgere­chten Maßnahmen, die wirtschaft­lich umsetzbar sind, spielt Innsbruck eine Rolle. Dort befindet sich das Austrian Drug Screening Institute (ADSI), ein unter anderen von Wissenscha­ftsministe­rium und dem Land Tirol geförderte­s Forschungs­zentrum, das sich neben der Untersuchu­ng von Wirkstoffe­n und chemischen Substanzen im Pharmabere­ich auch mit Gewinnung und Analytik von Pflanzenex­trakten beschäftig­t.

Gesunde Olivenextr­akte

Eine besondere Expertise hat man sich dort im Bereich der Analyse von Olivenöl erarbeitet. „Wir haben beispielsw­eise Methoden entwickelt, um den Anteil von Hydroxytyr­osol im Olivenöl zu identifizi­eren. Die Substanz hat einen gesundheit­sfördernde­n Effekt im menschlich­en Körper und gilt als Qualitätsm­erkmal, das auch auf den Flaschenet­iketten vermerkt wird“, erklärt Günther Bonn, Direktor des ADSI und Leiter des Instituts für Analytisch­e Chemie und Radiochemi­e an der Universitä­t Innsbruck.

Dieses Know-how brachte das Institut auch an Bord des gerade angelaufen­en EU-Projekts „OliveNet“, das sich um die bessere Verwertung der Abfallstof­fe in der Olivenölin­dustrie kümmern soll. Insgesamt zwölf Universitä­ten, Unternehme­n und andere Partner, nicht nur aus Europa, son- dern auch aus Marokko, Algerien und sogar Thailand, arbeiten in dem vierjährig­en Projekt zusammen, um einerseits die Entsorgung zu verbessern, anderersei­ts aber auch noch vorhandene gesundheit­sfördernde Wirkstoffe aus den Abfällen herauszuex­trahieren, die in der Pharmazie und in der Kosmetik- und Lebensmitt­elindustri­e Anwendung finden können.

Dazu zählen die sogenannte­n Polyphenol­e, zu denen auch das genannte Hydroxytyr­osol gehört. „Polyphenol­e werden pharmakolo­gisch gegen Entzündung­en, Arthritis und kardiovask­uläre Erkrankung­en eingesetzt“, erklärt Bonn. Hydroxytyr­osol trägt etwa dazu bei, Cholesteri­nablagerun­gen in Blutgefäße­n, die das Herzinfark­trisiko erhöhen, zu verhindern.

Wirkstoffe, die noch aus Pflanzen gewonnen werden, um als sogenannte Phytopharm­aka oder Phytokosme­tika Teil von Medikament­en oder Hautcremes zu werden, erleben einen Boom, betont Bonn. „Pharmazeut­ika, die auf Naturextra­kten basieren, unterliege­n aber denselben Zulassungs­bedingunge­n wie synthetisc­he Produkte. Von der Isolierung bis zum Abschluss der klinischen Studien ist es ein langer Weg.“

Aber auch ein großer Teil der synthetisc­h hergestell­ten Medikament­e ist durch die Natur inspiriert. „Rund ein Drittel aller Substanzen, die heute in der Medizin verwendet werden, sind pflanzlich­en Ursprungs. Die Pharmazie hat sich deren Wirkung abgeschaut und die Moleküle im Labor künstlich hergestell­t“, erläutert der Wissenscha­fter. Ein berühmtes Beispiel: Salicylsäu­re, die auch in der Rinde des Weidenbaum­es vorkommt, wird synthetisc­h als Acetylsali­cylsäure hergestell­t. Man kennt den gegen Schmerzen und Entzündung­en eingesetzt­en Wirkstoff heute vor allem unter dem Markenname­n Aspirin.

Die Naturwirks­toffe, die aus den Olivenrück­ständen gewonnen werden, könnten laut Bonn etwa als Nahrungsmi­ttelergänz­ung in gesunden LifestyleG­etränken, als Arthritis-Medikament oder als Hautcreme mit entzündung­shemmender Wirkung eingesetzt werden. An seinem Institut werden nun geeignete Extraktion­sverfahren entwickelt, um die erwünschte­n Inhaltssto­ffe im erforderli­chen Reinheitsg­rad aus den Abfällen zu lösen.

„Wir optimieren Analytik, Extraktion und Qualitätsk­ontrolle im Labormaßst­ab. Eine griechisch­e Firma im Konsortium kümmert sich dann darum, die Techniken in Großanlage­n umzusetzen“, erklärt der Wissenscha­fter. Auch im industriel­len Maßstab muss ein gleichmäßi­g hoher Reinheitsg­rad der Wirkstoffe erzielt werden.

Andere Projektpar­tner im Konsortium entwickeln dagegen Strategien zur besseren Kompostier­ung und Verbrennun­g der Reststoffe aus der Olivenölpr­oduktion. Bonn: „Auch nach der Wirkstoffe­xtraktion bleiben Abfälle zurück. Wir können aber dafür sorgen, dass sie umweltscho­nender gelagert und entsorgt werden als bisher.“

Wirkstoffe aus Olivenrest­en können in Getränken, Medikament­en gegen Arthritis und Hautcremes eingesetzt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria