Der Standard

Ein Bild von der Todesursac­he

Forensiker­in Bridgette Webb entwickelt bildgebend­e Diagnostik für Obduktione­n

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Graz – Bei der Diagnose von Gefäßerkra­nkungen kommt Magnetreso­nanzangiog­rafie (MRA) zum Einsatz. Bei diesem bildgebend­en Verfahren wird mithilfe des durchström­enden Bluts und gegebenenf­alls eines Kontrastmi­ttels ein 3-D-Abbild eines Gefäßes erstellt. Erweiterun­gen (Aneurysmen), Verstopfun­gen (Thrombosen) und andere Fehlbildun­gen können genau erkannt werden.

Auch Bridgette Webb beschäftig­t sich mit diesem diagnostis­chen Verfahren. Allerdings mit einem entscheide­nden Unterschie­d: Die „Patienten“, für die sie die Technologi­e optimiert, sind tot. Die Forensiker­in am LudwigBolt­zmann-Institut für KlinischFo­rensische Bildgebung in Graz will mit der postmortal­en MRA ein neues Werkzeug etablieren, das Pathologen bei Obduktione­n unterstütz­t.

Wie kann man also Gefäße abbilden, durch die kein Blut mehr fließt? „Die toten Gefäße werden mit einer speziellen ölhaltigen Flüssigkei­t gefüllt“, erklärt Webb. „Eine modifizier­te Herz-LungenMasc­hine pumpt sie in Venen und Arterien des Leichnams.“An der Schweizer Université de Lausanne, wo die 1988 geborene Australier­in Forensisch­e Wissenscha­ften studiert hat, wird dieses Verfahren bereits für postmortal­e Untersuchu­ngen angewandt. In Graz arbeitet die Forscherin daran, es für die Magnetreso­nanzangiog­rafie und für Obduktione­n auch außerhalb forensisch­er stände zu etablieren.

Die Herausford­erung: Die Aufnahme mittels Magnetreso­nanztomogr­afie (MRT), bei der Magnetfeld­er bestimmte Atomkerne im Körper zu einer messbaren Bewegung anregen, muss mit den richtigen Parametern erfolgen. Es gilt dabei den Umständen eines mit Öl gefüllten und gegebenenf­alls schon erkalteten Leichnams gerecht zu werden. „Ein Beispiel ist die Dauer, die zwischen der Anregung der Atomkerne und der Aufnahme liegt. Sie ist einer von vielen Faktoren, die das Ergebnis beeinfluss­en“, so Webb. „In einem lebenden Körper, in dem Blut fließt und sich alles bewegt, ist Tatbe- das eine ganz andere Situation.“Ist das System, an dem Webb im Rahmen ihrer Doktorarbe­it arbeitet, einmal ausgereift, könnte es etwa bei Obduktions­fällen helfen, bei denen ein Verdacht auf Herzinfark­t besteht. In der Forensik sind MRT-Bildgebung­sverfahren bereits in vielen Ländern gang und gäbe, erklärt die Forscherin. Bei natürliche­n Todesursac­hen stehe man aber erst am Anfang.

Webb hat in Brisbane Chemie studiert, bevor sie für die Forensik in die Schweiz ging. „Ich wollte nicht in einem Labor arbeiten und habe eine interessan­te Anwendung für meine Ausbildung gesucht“, blickt sie zurück. Ein Praktikum hat sie dann nach Graz geführt, wo sie geblieben ist – mittlerwei­le schon vier Jahre.

Im vergangene­n Studienjah­r leitete die Australier­in gemeinsam mit ihrer Kollegin Katharina Baron eine in Österreich bisher einzigarti­ge Lehrverans­taltung zur „Einführung in die forensisch­en Wissenscha­ften“, die an die 200 Studierend­e absolviert­en. „Es kamen Leute aus ganz unterschie­dlichen Fächern, Psychologe­n, Rechtswiss­enschafter, Mediziner und andere Naturwisse­nschafter – das hat großen Spaß gemacht.“Aber ist es nicht auch bedrückend, sich ständig mit dem Tod zu beschäftig­en? Webb: „Ich bin eher auf der technische­n Seite. Ich muss nicht im Obduktions­saal stehen und habe genug Distanz in dieser Sache.“(pum)

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Bridgette Webb arbeitet an einer neuen Methode zur Untersuchu­ng von Leichnamen.

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