Suche nach einem Kompass auf stürmischer See
Wirtschaftskammer-Präsident Leitl will flankiert von der Kirche die Ethik hochhalten
Wien – Die Wirtschaftskammer besinnt sich der Ethik und holte zu diesem Zwecke Kirche und Wissenschaft in ihre Kreise. Die Zeiten seien stürmisch, die See sei bewegt. Es brauche daher etwas, woran man sich festhalten könne, einen Kompass, eine Orientierung, sinnierte Kammerpräsident Christoph Leitl am Dienstag in gemeinsamer Runde mit Diözesanbischof Alois Schwarz, zu der er auch Leopold Neuhold, Leiter des Ethikinstituts der Uni Graz, geladen hatte.
„Innovation, Qualifikation und Wettbewerbsfähigkeit – wofür das alles?“, stellte Leitl die Sinnfrage und hatte gleich Antworten parat: weil es um menschlichen Mehrwert gehe, um Nachhaltigkeit, Solidarität. Als ein Beispiel aus der Praxis diente ihm der Erhalt der österreichischen Sonn- und Feiertagskultur. „Die Wirtschaft trägt das mit“, versicherte Leitl. Denn es brauche menschliches Taktmaß – und der freie Sonntag gehöre hier zweifelsohne dazu.
Das dürfte Balsam auf der Seele der Gewerkschaft sein. Zählte die Forderung nach einer Tourismuszone samt offenem Sonntag in der Bundeshauptstadt doch jüngst zu den Lieblingsthemen der Wiener Wirtschaftskammer – obwohl sich Kirche und Gewerkschafter dem Ansinnen widersetzen. Bischof Schwarz sieht zwischen der Ethik und der Wirtschaft jedenfalls keinen Widerspruch. Letztere nämlich schaffe Kapital, was folglich Arbeit und Wohlstand bedeute, zeigte er sich wohlwollend. So sei Teilen ja nur möglich, wenn es dafür auch eine Substanz gebe. „Der Unternehmer“, so Schwarz, „erhält seinen Lohn als Letzter.“
Schlaf, Sport, Spiritualität
Was der Geistliche Unternehmern rät: Oberste Priorität habe ausreichend Schlaf. Andernfalls träfen sie falsche Entscheidungen, was anhand des früheren US-Prä- sidenten Bill Clinton nachgewiesen worden sei. Neben genug Bewegung brauche es täglich eine halbe Stunde Zeit für Spiritualität oder zumindest sich selbst. Dann menschliche Beziehungen, erst an fünfter Stelle stehe die Arbeit.
Fernöstliche Praktiken zur Stärkung der Persönlichkeit und des Charakters der Unternehmer hält Schwarz im Übrigen für lässlich: Das Christentum könne es besser.
Auch für Neuhold ist Ethik keine Behinderung der Wirtschaft. Sie dürfe keineswegs im Kontext des Verbietens betrachtet werden, sagte er, sondern als ihr integraler Bestandteil. (vk)