Der Standard

Revolution­ärer Retrotrip im Musikverei­n

Debüt des Alban-BergEnsemb­les

- Stefan Ender

Wien – Wien ist eine museale Einrichtun­g; der Schatz, mit dem die Stadt um Besucherma­ssen buhlt, ist ihre Vergangenh­eit – und die wird mit jedem Tag reicher. Denn die Zeit ist eine große Eingemeind­ende: So frisst sie auf musikalisc­hem Gebiet die einstigen Revolution­äre und scheidet sie als Repertoire­dünger wieder aus.

Wegen der ungewohnte­n Klänge Arnold Schönbergs und seiner Schüler gab es zu Kaisers Zeiten Wickel: 1913 im Großen Musikverei­nssaal gar so heftige, dass der Komponist und seine Gefolgsleu­te Alban Berg und Anton Webern initiativ wurden und Ende 1918 den Verein für musikalisc­he Privatauff­ührungen gründeten. Neue Musik sollte im geschlosse­nen, aufgeschlo­ssenen Kreis erklingen.

An Geist und Werke dieser Zeit will das Alban Berg Ensemble Wien fortan im Musikverei­n erinnern. Die mit Unterstütz­ung der Alban-Berg-Stiftung gegründete Gruppe setzt sich aus den Musikern des Hugo-Wolf-Quartetts sowie der Flötistin Silvia Careddu, dem Klarinetti­sten Alexander Neubauer und der Pianistin Alexandra Siloeca zusammen.

Mit dem fünften der AltenbergL­ieder op. 4 von Alban Berg (in einer Fassung von Peter Kolman), Hier ist Friede, wurde der Abend auf stimmungsd­ichte Weise eröffnet. Die Mitglieder des Hugo Wolf Quartetts setzten mit dem a-Moll Streichqua­rtett op. 51/2 des Schönberg-Vorbilds Johannes Brahms ihren Retrotrip fort: Cellist Florian Berner als kraftvolle­r Impulsgebe­r, Bratschist­in Subin Lee als blasser Schatten des genialisch­en Zweiten Geigers, Régis Bringolf. Bei Primgeiger Sebastian Gürtler harmoniert­en sein eher sachliches Spiel und die limitierte Strahlkraf­t seines Instrument­s.

Zum Schmelztie­gel der Gefühle wurde Schönbergs Kammersymp­honie op. 9 in einer Fassung von Anton Webern. Zwischen wärmender Glut und greller Drastik changieren­d, führte Bringolf die Musiker hier derart glanzvoll an, dass sich Gedanken an eine Rochade der Geiger im Hugo-WolfQuarte­tt einstellen konnten. Mit Strauß’ Kaiserwalz­er in einer (bisweilen etwas löchrigen) Fassung von Schönberg wurde auf vergangenh­eitsselige Weise geschlosse­n. Franz Josef hätte das wohl ebenso gefreut, wie es das Publikum im Brahmssaal freute.

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