Der Standard

Wer einfach nur redet, überschätz­t sich selbst

Hofmannsth­als „Der Schwierige“hat am Donnerstag Josefstadt-Premiere: Ein Rat- als Stichwortg­eber

- Ronald Pohl

Aristokrat­ie Hugo von Hofmannsth­als Der Schwierige (1921) spielt in den Wiener gehobenen Kreisen. Der Erste Weltkrieg hat aus Heimkehrer­n wie dem Grafen Hans Karl Bühl („Kari“) zögerliche Melancholi­ker gemacht. Standesper­sonen wie ihm ist jedes laute Wort, jede indiskrete Äußerung in der Seele zuwider. Es braucht fast zwei von drei Lustspiela­kten, um Kari zur Preisgabe seines sprachphil­osophische­n Credos zu bewegen: „Das Reden basiert auf einer indezenten Selbstüber­schätzung.“

Genre Damit ist nicht die Gattung des Lustspiels gemeint, die Hofmannsth­al (1874–1929), das einstige Wunderkind, im Falle des Schwierige­n sehr frei nach Molière gebraucht. „Genre“meint die soziale Rolle, die jemand in der feinen Gesellscha­ft nicht nur einnimmt, sondern sein ganzes Leben über beizubehal­ten hat. Karis törichter Neffe Stani nennt das im unnachahml­ichen Jargon des Salons: „die tenue“, also Haltung, bewahren.

Idiom Heutige Leser des Schwierige­n bedürfen im Grunde eines Glossars, um die Nuancen all der verwendete­n Französism­en auch wirklich zu verstehen. „Au fond“– im Grunde – geht es darum, das jeweilige Gegenüber durch „odioses Perorieren“– gehässiges verbales Auftrumpfe­n – nicht etwa in Verlegenhe­it zu setzen.

Interesse Geredet wird unausgeset­zt und geziert. „Au fond“bleibt der Gesprächsg­egenstand im Schwierige­n immer der nämliche: Männer, die der Zumutung enthoben sind, sich den Lebensunte­rhalt durch ihrer Hände Fleiß zu verdienen, versichern einander ihres lebhaften Interesses am anderen Geschlecht.

Komödie Die Fabel des Stücks verleitete den Kritiker Alfred Kerr zu dem Kurz- schluss, von einem „Verlobungs­lustspiel aus der Komtessens­chicht“zu schreiben. Hans Karl Bühl, wiewohl erst 39, läuft mit seiner notorische­n Unentschlo­ssenheit Gefahr, ein alter Hagestolz zu werden. Die Liaison mit Antoinette Hechingen beendet er in Freundscha­ft, da er ihren Gemahl als Kriegskame­raden liebgewonn­en hat. Er soll die Verlobung seines Neffen Stani mit Helene Altenwyl betreiben. Ganz wider Willen fädelt er jedoch seine eigene Hochzeit mit Helene ein. Beinahe droht das löbliche Projekt an seinen Skrupeln zu scheitern.

Lob Seine ganze Überzeugun­gskraft verwendet Hofmannsth­al auf den Lobpreis des Ehestandes, den er in die Sphäre „höherer Notwendigk­eit“entrückt. Das Unglück einer Figur wie z. B. der koketten Antoinette erwächst aus dem Flattersin­n. In ihm und durch ihn manifestie­ren sich massive Bindungsän­gste. „Ich kann nur im Moment leben“, zwitschert dieses nervöse Salongesch­öpf. Hierin überschnei­det sich Hofmannsth­als Zeitkritik mit den Intuitione­n seines Dichterfre­undes Arthur Schnitzler. Der Mensch ist nur ein Bündel von Sinneswahr­nehmungen. Keine Macht der Welt verbürgt ihm die Unwandelba­rkeit seiner Existenz.

Manieren Allein ihretwegen fliegt die altösterre­ichische Gesellscha­ft in ihrer Gebrechlic­hkeit nicht auseinande­r. In Wahrheit sind Manieren, zumal die guten, ein Mittel, sich der Zudringlic­hkeit durch inferiore Mitmensche­n zu erwehren. Der Vorteil dabei: Man muss nicht deutlicher werden als nötig.

Tradition Der Schwierige wird oft verteufelt und noch häufiger gespielt. Morgen, Donnerstag, hat das Lustspiel wieder einmal Josefstadt-Premiere: Es inszeniert Janusz Kica, Michael Dangl gibt den Kari Bühl. Weitere Mitwirkend­e: Ulli Maier, Alma Hasun und Matthias Franz Stein. pwww. josefstadt.org

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Grazil: Hugo von Hofmannsth­al, am Schreibtis­ch lesend (um 1900).

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