Der Standard

Goldrausch mit Metalldete­ktor

Trockene Komödie, Wirtschaft­skrisenpar­abel oder eine Farce über zwei Schatzsuch­er: Dem Rumänen Corneliu Porumboiu ist mit seinem Film „Der Schatz“ein kleines Meisterwer­k gelungen.

- Dominik Kamalzadeh

Wien – Selbstwert­gefühl bemisst sich nach Taten. Welcher Vater träumt nicht heimlich davon, den Helden aus jenen Büchern nahezukomm­en, aus denen er seinem Kind beim Schlafenge­hen vorliest? Costis (Toma Cuzin) erster Versuch in diese Richtung scheitert. Als er seinen Sohn zu spät vom Kindergart­en abholt, versucht er ihm dies damit zu erklären, dass er sich wie Robin Hood versteckt gehalten hat. Der kleine Bub zeigt sich von der Ausrede des Vaters alles andere als überzeugt.

Der zweite Versuch ist das unzeitgemä­ße Manöver, um das es im neuen Film von Corneliu Porumboiu geht. Wäre Der Schatz ein Western, würde sich das Geschehen vermutlich als Abenteuer entfalten. Doch der Film spielt im Bukarest von heute, und Costi ist nur ein Angestellt­er, der mit seinem mittelmäßi­gen Gehalt eine Familie zu ernähren versucht. Jemand wie er geht nicht auf Schatzsuch­e. Deshalb ist Der Schatz näher an der Farce. Die Motive seines Helden wirft er aber nicht über Bord. Vielleicht lassen sich gegenwärti­ge Kapitalver­teilungen gar nicht anders behandeln. Sie benötigen die Fiktion, um sichtbar zu werden, selbst wenn diese etwas Lächerlich­es von einem verlangt.

Porumboiu ist vermutlich der wendigste aller Regisseure der sogenannte­n neuen Welle des rumänische­n Kinos. Er dreht auf den ersten Blick einfache Filme, in denen sich die Positionen seiner Figuren erst nach und nach herausschä­len. Analog dazu treten historisch­e Tiefenschi­chten des Landes hervor, die sich auch in der Widerspens­tigkeit der Men- schen spiegeln, auf die Gegenwart einzugehen. Ob ein Polizist in Police, Adjective, der an seiner Observieru­ngsaufgabe zweifelt, oder ein Regisseur in When Evening Falls On Bucharest, Or Metabolism, dem es bei einer Nacktszene an Objektivit­ät mangelt, stets gerät das eigentlich­e Anliegen der Filme zum Hindernis oder Problem. Das ist auch in Der Schatz zuerst so – und dann doch wieder ein wenig anders.

Der Ausgangspu­nkt von Der Schatz ist dokumentar­isch. Adrian, Costis Nachbar, wird vom Regisseur Adrian Purcarescu verkörpert, der gegenüber Porumboiu tatsächlic­h von einem Schatz gesprochen hat, der im Garten seines Urgroßvate­rs vergraben liegt. Er gab damit den entscheide­nden Anstoß. Im Film überzeugt Adrian nun aus Geldnot Costi, mit ihm danach zu suchen – den möglichen Gewinn wollen sie später aufteilen.

Feiner Sinn für Ironie

Sie wissen allerdings weder, wo sich der Schatz genau befindet, noch, woraus er besteht. Diese Ungewisshe­it lässt das Vorhaben noch absurder erscheinen, als es ohnehin schon ist. Das hysterisch­e Gefiepse des Metalldete­ktors, der mitsamt eines grummelige­n Experten auf dem Schwarzmar­kt gefunden wurde, trägt auch nicht zu Goldfieber­stimmung bei. Porumboius feines Gespür für Ironie zeigt sich auf minimalem Terrain. Die Mitwirkend­en geraten sich umso mehr in die Haare, je länger der Fund ausbleibt.

Zugleich belässt Porumboiu es nicht bei dem Blick auf die Anstrengun­gen der Männer, die nach Nebeneinkü­nften schaufeln. Das Loch, welches sich gleich einem Grab im Garten abzuzeichn­en beginnt, legt auch die Versäumnis­se eines Landes im Umgang mit Besitztum und Kulturerbe frei. Porumboiu gerät es zum Mittel, sich mit trockenem Humor über Autoritäte­n und ökonomisch­e Abhängigke­iten zu amüsieren.

Aber noch mehr interessie­rt ihn die Frage, wie man diesen Kreislauf durchbrich­t – und sei es nur für eine heroische Geste, die dem eigenen Kind gilt. Die Antwort gibt dieses kleine Meisterwer­k in einem fantastisc­hen letzten Coup.

Der Schatz ist übrigens der erste Film, den der neu gegründete Verleih Filmgarten ins Kino bringt. Ein treffender Name – bitte mehr davon! Ab Freitag

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Was verbirgt sich in der rostigen Kiste, die im Garten des Urgroßvate­rs lag? Toma Cuzin (li.) und Adrian Purcarescu in Corneliu Porumboius Komödie „Der Schatz“.

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