Fair-Trade-Advokaten, die auch Rassisten sind
Die Kammerspiele des Landestheaters Salzburg führen mit Philipp Löhles „Wir sind keine Barbaren!“an die Grenzen der Willkommenskultur.
Salzburg – Das Salzburger Landestheater zeigt in den Kammerspielen Philipp Löhles Komödie Wir sind keine Barbaren! in einer Inszenierung von Claus Tröger. Es sind Szenen zweier Ehen im Bobo-Milieu, die kleinbürgerliches Spießertum samt Fremdenhass offenlegen – durch die Ankunft eines hilfesuchenden schwarzen Mannes, den man übrigens nie zu Gesicht bekommt.
Das ältere Paar, Barbara und Mario (Britta Bayer und Axel Meinhardt), hat sich auseinandergelebt, die neuen, noch jüngeren Nachbarn (Hanna Kastner, Gregor Weisgerber) machen sich dagegen sexuell noch wich- tig, wie das Stöhnen aus dem Off verrät. Da kommt Neid auf; auch sonst ist das Geschwätz von Yoga und Pilates, mit denen die jüngere Frau Führungskräfte fit für die Konkurrenzgesellschaft macht, nur kultivierte Fassade im sozialen Wettstreit.
Und der wird in der Mittelstandshölle politisch korrekt ausgetragen. Wie dünn die Decke der Zivilisation in diesen sich aufgeklärt wähnenden Kreisen ist, offenbart Löhles Komödie mit dem Klopfen des Fremden an der Tür bei Barbara und Mario. Jetzt dreht sich der Smalltalk nicht mehr um die gute vegane Küche, sondern um das Gemächt des Schwarzen.
Wie im antiken Theater wird das Geschehen von einem „Heimatchor“kommentiert, in dem jeder seine Ich-AG ist („Ich“-Leiberl; Kostüme und Bühne: Eva Musil). Mit dem Fremden kommt bald das Ende der Willkommenskultur. Barbara hat zwar ein gut hörbares Sexualleben, die anderen Protagonisten leisten den Offenbarungseid – der moderne Rassist kann auch Fair-Trade-Advokat sein. Als Barbaras Leiche gefunden wird, ist der Mörder schnell identifiziert – bis Barbaras Schwester (ebenfalls Bayer) die Schuldzuweisung infrage stellt und den biederen Gatten des Mordes verdächtigt.
Eine überzeugende Ensembleleistung trägt die Inszenierung. Der Abend verhandelt ein schweres Thema leichtfüßig und ohne Pathos. Bis 27. 10.