Der Standard

Das Organ der Weltvernun­ft

- Ronald Pohl

Ein Politikeri­nterview bei OE24.TV gleicht einem Besuch bei Freunden. Wolfgang Fellner („WoFe“) setzt sein gewinnends­tes Lächeln auf, das – infolge der Schwerkraf­t – zwar bis tief unter den Tisch hängt, aber dennoch die rechte Herzlichke­it nicht vermissen lässt.

Bundeskanz­ler Christian Kern ließ sich in Sachen Freundlich­keit seinerseit­s nicht lumpen. Der Vorsitzend­e der heimischen Sozialdemo­kratie versteht es meisterhaf­t, Meinungen und Absichten, mit denen er sich trägt, in das Slimfit-Gewand der Vernunft zu kleiden. Er sah mit Grünen, Neos und der ÖVP allerlei „Überschnei­dungen“und vermittelt­e überzeugen­d, vor möglichen Neuwahlen keine Furcht zu hegen.

Der Sitz entscheide­t. Nichts zwickt. Fellner war hin und weg von der „Ehrlichkei­t“, die das einstündig­e Gespräch der beiden durchwalte­te. So ist die heimische Öffentlich­keit eben beschaffen. Der Betreiber eines Boulevardb­lattes, der jetzt auch das Fernsehen für sich entdeckt hat, kann seine Ansichten – mögen sie wohler oder unwohler erwogen sein — als Volkes Stimme deklariere­n.

Die Frage, ob wir Bürger einer solchen Anwaltscha­ft überhaupt bedürfen, darf jemanden, der als Kanzler der öffentlich­en Zustimmung bedarf, im Innersten nicht berühren. Kerns Auftritt war daher gefällig. Aber es fiel auch auf, wie unpolemisc­h ihm zumute war.

Er sei gern „draußen bei den Menschen“, weil er dort keinen lästigen Filter – die Medien! – braucht. Auf so viel Ehrlichkei­t wusste Fellner nichts Geistreich­es zu antworten. Nur dass zwischen Kern und Kurz „kein Spalt passt“, schreckte den Medienmach­er auf. Mit dem eiligen Befüllen von Spalten kennt er sich ja schließlic­h aus. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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