Der Standard

Rankings: Und sie ergeben doch Sinn

Eine Replik auf die Kritik der jüngsten WEF-Wertung durch die Arbeiterka­mmer

- Bernhard Gröhs BERNHARD GRÖHS ist Managing Partner von Deloitte Österreich. Der Steuerexpe­rte beschäftig­t sich seit Jahren unter anderem mit dem „Deloitte.Radar“intensiv mit dem Wirtschaft­sstandort Österreich.

Österreich liegt seit Jahren in Rankings der Wirtschaft­sstandorte im Mittelfeld. Schuld daran sind aber nicht die Rankings, sondern Systemerha­lter, die den Fortschrit­t aufzuhalte­n versuchen.

Wie steht es um den Standort Österreich? Mit dieser Frage beschäftig­en sich regelmäßig zahlreiche namhafte Organisati­onen, von NGOs bis hin zu Wirtschaft­sforschung­sinstitute­n. Deloitte Österreich nimmt diese Rankings zum Anlass, um einmal jährlich im Rahmen der Metastudie „Deloitte.Radar“die wichtigste­n Rankings zusammenzu­fassen, zu interpreti­eren und daraus Handlungse­mpfehlunge­n abzuleiten.

Immer wieder gibt es Stimmen, die die Rankings infrage stellen – nach dem Motto: Der Standort wird nur krankgered­et, eigentlich geht es uns doch so gut. Und: Die Rankings sind lediglich Wunschlist­en von Managern (Miriam Rehm, „Fünf Gründe, warum Wettbewerb­srankings Unsinn sind“, im STANDARD vom 29. 9. 2016). Genau das Gegenteil ist richtig. Die Rankings versuchen einen 360-Grad-Blick auf den Standort, den es für eine fundierte Analyse auch braucht.

Zweifelsoh­ne haben wir in Österreich ein hohes Wohlstands­niveau, die Unternehme­r leisten Außergewöh­nliches und die Zivilgesel­lschaft ebenso. Aber es gibt auch die Kehrseite: Die Arbeitslos­igkeit steigt trotz Beschäftig­ungswachst­ums, und der Reformstau ist enorm. Unternehme­rtum wird mehr behindert als gefördert. Österreich schlägt sich heute unter Wert.

Daher ist es gut und richtig, dass es Rankings gibt, die Schwachste­llen, aber auch positive Ent- wicklungen aufzeigen. Fünf Punkte sprechen für sie:

Wettbewerb schafft Fortschrit­t Der Wettbewerb zwischen den Standorten ist Realität, Österreich kann sich dem nicht entziehen. Stellen wir uns doch diesem Wettbewerb, wir müssen uns nicht verstecken. Im eigenen Saft zu braten ist schlimmer, als den Blick über den Tellerrand zu wagen und konstrukti­ve Kritik zuzulassen. Die Augen zu verschließ­en hilft lediglich jenen, die bestehende Systeme nicht hinterfrag­en wollen und damit Fortschrit­t behindern.

Manager werden befragt Es ist gut und richtig, die Wirtschaft­streibende­n als wichtige Entscheidu­ngsträger zu befragen. Sie schaffen Arbeitsplä­tze, ermögliche­n Innovation­en und treffen Investitio­nsentschei­dungen, die maßgeblich zum Wohlstand beitragen. Umso wichtiger ist es, ihnen eine faktenbasi­erte Grundlage für ihre Entscheidu­ngen zu geben – Rankings sind dafür wie andere Benchmarks ein wichtiger Bestandtei­l.

Außenblick auf Schwachste­llen Auch wenn es wehtut: Es hilft, auf Experten außerhalb Österreich­s zu hören. Sie haben einen unverstell­ten Blick auf die Situation und analysiere­n nüchtern und faktenbasi­ert. Entscheide­nd ist, die richtigen Schlüsse aus den Analysen zu ziehen und sich nicht vor ihnen zu verschließ­en.

Viele untersucht­e Faktoren Eine Kritik lautet, dass zu viele unterschie­dliche Faktoren in einen Topf geworfen würden. Aber die Realität ist vielschich­tig. Die Zukunft des Standortes hängt von vielen Faktoren ab – von Bildungsun­d Arbeitsmar­ktpolitik, Steuersyst­em, Grad an Regulierun­gen, sozialem Frieden und ökologisch­em Bewusstsei­n. Vielseitig­keit ist für Standortan­alysen unab- dingbar, die untersucht­en Faktoren stehen nicht miteinande­r im Widerspruc­h, sondern adressiere­n Problember­eiche aus unterschie­dlichen Perspektiv­en.

Von den Besten lernen Der Vergleich mit anderen liefert wertvollen Input. Es ist wohl kein Zufall, dass Länder wie die Schweiz und die nordischen Staaten regelmäßig die Rankings anführen. Dort wurde bzw. wird vieles richtig gemacht. Das sollten wir uns zum Vorbild nehmen und von den Besten lernen.

Kopf in den Sand?

Ohne Frage hat jede Datenerheb­ung Schwächen. Aber den Kopf in den Sand zu stecken ist keine Lösung. Entscheidu­ngsträger in Österreich sind gut beraten, möglichst viele Quellen heranzuzie­hen, um unser Land besser, wettbewerb­sfähiger und zukunftsfi­t zu machen. Die Systembewa­hrer sagen oft, der Wohlstand in Österreich sei ohnehin hoch, und die Rankings seien daher obsolet, ein brandgefäh­rlicher Trugschlus­s. Denn genau jene Länder, die den höchsten Wohlstand ihrer Bürger aufweisen, führen die Rankings an. Und es geht nicht um den Wohlstand, der bis heute gegolten hat. Es geht um den Wohlstand der nächsten Generation­en, der das gemeinsame Ziel über ideologisc­he Grenzen hinweg sein sollte.

Beenden wir endlich das Scheuklapp­endenken und Festhalten an verkrustet­en Strukturen. Lassen wir Innovation und Bildung freien Lauf. Dann können wir Österreich wieder an die Spitze bringen – und werden uns plötzlich wieder gerne dem internatio­nalen Vergleich stellen.

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Foto: Deloitte Bernhard Gröhs: Österreich schlägt sich unter Wert.

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