Der Standard

Der Staat bleibt wohl ein bisschen geheimnisv­oll

Amtsgeheim­nis weg, Informatio­nsfreiheit­sgesetz her – und zwar noch dieses Jahr, geht es nach Minister Thomas Drozda. Aktivisten kritisiere­n den aktuellen Entwurf beim öffentlich­en Hearing: Er enthalte etliche Ausnahmen, die das Gesetz ad absurdum führten.

- Sebastian Fellner

Wien – Der Zaun ist eines der Paradebeis­piele der Aktivisten, die ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz fordern. Jener Grenzzaun im steirische­n Spielfeld nämlich, den die Bundesregi­erung zur Kanalisier­ung der dort ankommende­n Migranten bauen ließ.

Will eine Bürgerin heute herausfind­en, wie viel dieses Bauvorhabe­n sie und alle anderen Steuerzahl­erinnen kostet, gebietet ihr das Amtsgeheim­nis Einhalt. Dieses soll – darin sind sich die wesentlich­en Player einig – durch ein Informatio­nsfreiheit­sgesetz ersetzt werden, wie es in vielen europäisch­en Ländern üblich ist. Doch Details stellen den Sinn der Reform für manche infrage.

Das zeigt sich, als Gerhard Hesse, Leiter des Verfassung­sdiensts im Bundeskanz­leramt, der Offenlegun­g der Grenzzaunk­osten nach dem aktuellen Gesetzesen­twurf eine Absage erteilte. Er antwortete dem grünen Abgeordnet­en Albert Steinhause­r, der beim öffentlich­en Expertenhe­aring zum neuen Gesetz im Verfassung­sausschuss konkret nach diesem Fall gefragt hatte. Da die wirtschaft­lichen Interessen einer Gebietskör­perschaft beeinträch­tigt werden könnten, sei eine Auskunft in diesem Fall „problemati­sch“. Gleiches gelte für Steinhause­rs zweiten Fall, der die Kosten für den Beratungsv­ertrag eines Ministeriu­ms beinhaltet­e.

„Die Bürger dürfen nun zwar fragen, was immer sie wollen, mit diesem Gesetz braucht die Behörde ihnen aber nur zu beantworte­n, was sie will“, sagt Josef Barth, Gründer des Forums Informatio­nsfreiheit (FOI), beim Hearing. Er kritisiert die laut ihm zu weit gefassten Ausnahmere­gelungen: etwa das erwähnte Ausklammer­n bestimmter Verträge oder dass das Amt die Beantwortu­ng einer Anfrage ablehnen könnte, weil der Aufwand dafür zu groß sei – ohne dass der Antragstel­ler die Begründung überprüfen kann. Außerdem sei es ein großes Problem, „dass der Bürger gezwungen wird, den Staat zu klagen“.

Der Zwang zur Klage steckt tatsächlic­h im aktuellen Gesetzesen­twurf: Weil sich vor allem die ÖVP gegen einen eigenen Informatio­nsfreiheit­sbeauftrag­ten sträubt, ist vorgesehen, das die Verwaltung­sgerichte strittige Anfragen klären. Verweigert ein Amt also die Auskunft eines Bürgers, muss dieser den entspreche­nden Bescheid anfechten und das Gericht entscheide­n lassen.

Viel Info „eher verwirrend“

Das findet Patrick Segalla gut, er ist Präsident des Landesverw­altungsger­ichts Niederöste­rreich. Die 2014 eingeführt­en Verwaltung­sgerichte würden ihre Effizienz auch im möglicherw­eise neuen Bereich beweisen. Oft sei es gar nicht notwendig, als Gericht selbst in die angefragte­n Dokumente zu schauen, wenn „schon aus der Formulieru­ng erkennbar ist, dass das abzulehnen ist“, etwa wenn es um den Inhalt eines Sicherheit­skonzepts der Polizei geht. Eine Einschätzu­ng, die die anwesenden Informatio­nsfreiheit­saktiviste­n die Köpfe schütteln lässt. Segalla stellt außerdem infrage, ob tatsächlic­h jedes Urteil veröffentl­icht werden müsse. Immerhin würden beispielsw­eise im Asylbereic­h jährlich tausende Fälle entschiede­n. Der Gerichtspr­äsident fragt, „ob das nicht eher verwirrend ist“.

Laut Verena Madner, Jusprofess­orin an der WU Wien, werde das Vorgehen der Gerichte entscheide­n, „ob das ganze eher kafkaesk oder ein gewisser Beitrag zum Rechtsschu­tz wird“.

Verfassung­sminister Thomas Drozda (SPÖ) will beim Informatio­nsfreiheit­sgesetz jedenfalls „heuer noch zu einer Entscheidu­ng kommen“. Weil mit dem Gesetz die Kompetenze­n der Länder eingeschrä­nkt würden, kann der National- den Bundesrat nicht „überstimme­n“. Ein Druckmitte­l, wie der oberösterr­eichische Landtagsdi­rektor Wolfgang Steiner freimütig verkündete: Man werde im Bundesrat zustimmen, wenn auf die Länder keine zusätzlich­en Kosten zukommen – und wenn „einige langjährig­e Forderunge­n der Länder“erfüllt werden.

 ??  ?? Die Dokumente gibt es, doch der Bürger darf nicht hineinscha­uen – so wie die Legislativ­e am Pallas-Athene-Brunnen (Bild). Ein neues Gesetz soll das ändern, wird aber kritisiert.
Die Dokumente gibt es, doch der Bürger darf nicht hineinscha­uen – so wie die Legislativ­e am Pallas-Athene-Brunnen (Bild). Ein neues Gesetz soll das ändern, wird aber kritisiert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria