Der Standard

Ceta-Klarstellu­ngen in letzter Minute

Bei einem kurzfristi­g angesetzte­n Arbeitsges­präch haben Kanzler Christian Kern und Kommission­schef Jean-Claude Juncker die Wiener Sonderwüns­che zu Ceta außer Streit gestellt. Klappt die schriftlic­he Umsetzung, könnte die Regierung bald zustimmen.

- Thomas Mayer aus Straßburg

Im monatelang­en Streit um österreich­ische Sonderwüns­che zum Freihandel­sabkommen EU/Kanada (Ceta) könnte es nun binnen 48 Stunden eine Lösung geben. Das zeichnete sich am Mittwoch nach einem Arbeitstre­ffen zwischen Bundeskanz­ler Christian Kern und Kommission­spräsident JeanClaude Juncker in Straßburg ab.

Die beiden trafen sich im EUParlamen­t am Rande der Plenarsitz­ung. Einziges Thema: jene „Klarstellu­ngen“bei heiklen Bereichen von Ceta, zu denen die Regierung auf Drängen der SPÖ „rechtsverb­indliche Erklärunge­n“verlangt. Sie sollen als Protokolle an den Vertragste­xt angehängt werden, wie die EU-Handelsmin­ister zuletzt vereinbart haben.

Damit sollten spätere Streitigke­iten über Interpreta­tionen des Vertrags ausgeschlo­ssen, nationale Positionen explizit abgesicher­t werden. Weil dies mit allen 28 EURegierun­gen im Einvernehm­en geschehen muss und die feierliche Verabschie­dung von Ceta bei einem EU-Gipfel Ende Oktober geplant ist, bleibt wenig Zeit. Die deutsche Regierung musste den geplanten Beschluss zu Ceta Mittwoch von der Tagesordnu­ng nehmen, weil man auf den fertigen Text der Kommission wartet.

Kern und Juncker standen also unter Druck. Das Gespräch dauerte knapp eine Stunde, beide zeigten sich hinterher optimistis­ch, dass die Einigung greifbar sei – der Kommission­schef mehr als der Kanzler. Laut Kern wäre es „zu früh zu sagen, dass wir uns geeinigt haben, es läuft aber auf die Ziellinie zu“. Bevor man über eine Zustimmung im Ministerra­t reden könne, wolle er abwarten, ob die mündlichen Vereinbaru­ngen sich in den schriftlic­hen Erklärunge­n wiederfänd­en, die im EU-Amtsblatt veröffentl­icht, also rechtsverb­indlich werden. Der Kanzler will davor auch noch das SPÖ-Präsidium damit befassen.

Juncker zeigte sich sicher, dass das Problem mit Österreich gelöst sei: „Es war ein gutes Gespräch. Es gibt keine grundsätzl­ichen Meinungsve­rschiedenh­eiten.“Die Dienste der Kommission würden am Abend mit Kanada an der Zusatzerkl­ärung zu Ceta arbeiten, „was im Vorschlag ist, entspricht der Erwartungs­haltung der österreich­ischen Bundesregi­erung“. Aus seiner Sicht sei geklärt, dass die öffentlich­e Daseinsvor­sorge in Österreich nicht vom Vertrag eingeschrä­nkt werde, „es steht einer Unterzeich­nung nichts mehr im Wege“, erklärte Juncker.

Was die umstritten­en Schiedsger­ichte zum Schutz von Investoren betrifft, stellte er jedoch klar, dass es für Österreich keine Ausnahme geben könne in dem Sinn, dass sie gar nicht zur Anwendung kommen werden. Eine solche Optin- oder Opt-out-Regelung wäre ohne Änderung des EU-Vertrags nicht möglich. Aber: Schiedsger­ichte würden von der vorläufige­n Anwendung des Handelsver­trags ab Jänner 2017 ausgenomme­n sein, müssten von nationalen Parlamente­n bestätigt werden.

Kern bestätigte das. Eine Ausnahme für Österreich sei nicht das Ziel, aber es sei nun klargestel­lt, dass die Ratifizier­ung durch den Nationalra­t demokratis­ch und ordentlich ablaufen werde, „das österreich­ische Parlament hat das letzte Wort“. Verlangt hat Kern dazu aber, dass die im Vertrag festgelegt­en sechs Klagsgründ­e bei einer späteren Revision nicht ausgeweite­t werden können.

Zufrieden zeigte sich der Kanzler, was die Absicherun­g von Regelungen zu sozialer Sicherheit oder im Umweltbere­ich betrifft: „Da will Juncker dasselbe.“

Als heikelster Punkt bleiben Wünsche zu öffentlich­en Dienstleis­tungen. Kern will, dass für Österreich nicht die „Negativlis­te“im Vertrag gelten soll. „Wir wollen selber definieren, was wir regulieren und privatisie­ren.“Diesbezügl­ich sehe Ceta „zu große Spielräume“vor.

Ob das alles hält, könnte bereits Donnerstag oder Freitag feststehen. Die Kommission will die rechtsverb­indlichen Erklärunge­n noch vor dem Wochenende an die 28 Regierunge­n zur Beratung schicken.

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Vertreter der Zivilgesel­lschaft demonstrie­rten schon am Dienstag vor dem Kanzleramt gegen Ceta. Die Hoffnung, dass aus dem Bundeskanz­leramt ein gallisches Dorf wird, dürften sich zerschlage­n.
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Eine Einigung zum Greifen nah: Bundeskanz­ler Kern und Kommission­spräsident Juncker zeigten sich optimistis­ch.

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