Ceta-Klarstellungen in letzter Minute
Bei einem kurzfristig angesetzten Arbeitsgespräch haben Kanzler Christian Kern und Kommissionschef Jean-Claude Juncker die Wiener Sonderwünsche zu Ceta außer Streit gestellt. Klappt die schriftliche Umsetzung, könnte die Regierung bald zustimmen.
Im monatelangen Streit um österreichische Sonderwünsche zum Freihandelsabkommen EU/Kanada (Ceta) könnte es nun binnen 48 Stunden eine Lösung geben. Das zeichnete sich am Mittwoch nach einem Arbeitstreffen zwischen Bundeskanzler Christian Kern und Kommissionspräsident JeanClaude Juncker in Straßburg ab.
Die beiden trafen sich im EUParlament am Rande der Plenarsitzung. Einziges Thema: jene „Klarstellungen“bei heiklen Bereichen von Ceta, zu denen die Regierung auf Drängen der SPÖ „rechtsverbindliche Erklärungen“verlangt. Sie sollen als Protokolle an den Vertragstext angehängt werden, wie die EU-Handelsminister zuletzt vereinbart haben.
Damit sollten spätere Streitigkeiten über Interpretationen des Vertrags ausgeschlossen, nationale Positionen explizit abgesichert werden. Weil dies mit allen 28 EURegierungen im Einvernehmen geschehen muss und die feierliche Verabschiedung von Ceta bei einem EU-Gipfel Ende Oktober geplant ist, bleibt wenig Zeit. Die deutsche Regierung musste den geplanten Beschluss zu Ceta Mittwoch von der Tagesordnung nehmen, weil man auf den fertigen Text der Kommission wartet.
Kern und Juncker standen also unter Druck. Das Gespräch dauerte knapp eine Stunde, beide zeigten sich hinterher optimistisch, dass die Einigung greifbar sei – der Kommissionschef mehr als der Kanzler. Laut Kern wäre es „zu früh zu sagen, dass wir uns geeinigt haben, es läuft aber auf die Ziellinie zu“. Bevor man über eine Zustimmung im Ministerrat reden könne, wolle er abwarten, ob die mündlichen Vereinbarungen sich in den schriftlichen Erklärungen wiederfänden, die im EU-Amtsblatt veröffentlicht, also rechtsverbindlich werden. Der Kanzler will davor auch noch das SPÖ-Präsidium damit befassen.
Juncker zeigte sich sicher, dass das Problem mit Österreich gelöst sei: „Es war ein gutes Gespräch. Es gibt keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten.“Die Dienste der Kommission würden am Abend mit Kanada an der Zusatzerklärung zu Ceta arbeiten, „was im Vorschlag ist, entspricht der Erwartungshaltung der österreichischen Bundesregierung“. Aus seiner Sicht sei geklärt, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in Österreich nicht vom Vertrag eingeschränkt werde, „es steht einer Unterzeichnung nichts mehr im Wege“, erklärte Juncker.
Was die umstrittenen Schiedsgerichte zum Schutz von Investoren betrifft, stellte er jedoch klar, dass es für Österreich keine Ausnahme geben könne in dem Sinn, dass sie gar nicht zur Anwendung kommen werden. Eine solche Optin- oder Opt-out-Regelung wäre ohne Änderung des EU-Vertrags nicht möglich. Aber: Schiedsgerichte würden von der vorläufigen Anwendung des Handelsvertrags ab Jänner 2017 ausgenommen sein, müssten von nationalen Parlamenten bestätigt werden.
Kern bestätigte das. Eine Ausnahme für Österreich sei nicht das Ziel, aber es sei nun klargestellt, dass die Ratifizierung durch den Nationalrat demokratisch und ordentlich ablaufen werde, „das österreichische Parlament hat das letzte Wort“. Verlangt hat Kern dazu aber, dass die im Vertrag festgelegten sechs Klagsgründe bei einer späteren Revision nicht ausgeweitet werden können.
Zufrieden zeigte sich der Kanzler, was die Absicherung von Regelungen zu sozialer Sicherheit oder im Umweltbereich betrifft: „Da will Juncker dasselbe.“
Als heikelster Punkt bleiben Wünsche zu öffentlichen Dienstleistungen. Kern will, dass für Österreich nicht die „Negativliste“im Vertrag gelten soll. „Wir wollen selber definieren, was wir regulieren und privatisieren.“Diesbezüglich sehe Ceta „zu große Spielräume“vor.
Ob das alles hält, könnte bereits Donnerstag oder Freitag feststehen. Die Kommission will die rechtsverbindlichen Erklärungen noch vor dem Wochenende an die 28 Regierungen zur Beratung schicken.