Der Standard

Bankenaufs­icht nach Kleidergrö­ße

FMA-Konferenz: Kleinere Institute sollen regulatori­sch entlastet werden

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Wien – Alle über einen Kamm zu scheren ist für Klaus Kumpfmülle­r, Vorstand der heimischen Finanzmark­taufsicht (FMA), der falsche Ansatz: „Der riesige europäisch­e Markt hat zu sehr heterogene­n Strukturen geführt.“Bei Banken gebe es neben Global Playern auch Institute von europäisch­er, nationaler und regionaler Bedeutung. Kumpfmülle­r verweist auf ein FMA-Strategiep­apier, wonach die Aufsichtsp­raxis proportion­aler erfolgen soll, sprich, kleinere und mittlere Banken sollen Erleichter­ungen erfahren.

„Es geht nicht grundsätzl­ich um weniger Anforderun­gen“, erklärte der FMA-Vorstand am Mittwoch auf der 7. Aufsichtsk­onferenz seines Hauses, „sondern um einfacher zu erfüllende Anforderun­gen für kleine Banken mit einfachem Geschäftsm­odell.“Im Gegenzug sollen die weniger eng regulierte­n kleineren Institute mehr Eigenkapit­al zur Risikoabde­ckung vorhalten. Die FMA versuche das bereits zu leben, stoße dabei aber rasch an gesetzlich­e Grenzen.

„Was die Regulierun­g betrifft, brauchen wir eine Revolution und keine Evolution“, sagte Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling. Seit 2009 habe sich die Anzahl der für die Finanzbran­che relevanten Vorschrift­en mehr als verdoppelt, mehr als 1800 Rechtsnorm­en seien hinzugekom­men. „Ich finde, das ist eine Entwicklun­g, die wir hinterfrag­en müssen.“Alle beschäftig­ten sich mehr mit Regularien, anstatt bessere Produkte und Dienstleis­tungen zu entwickeln. „Eine ganze Industrie beschäftig­t sich mit sich selbst, ohne zu merken, dass die wahren Herausford­erungen von anderer Seite kommen.“

In Europa gebe es zu viele Banken, die Nachhaltig­keit ganzer Geschäftsm­odelle ist laut Schelling zu hinterfrag­en, und die Aufsicht müsse den Strukturwa­ndel begleiten – und zwar so, dass die Finanzieru­ng der Wirtschaft gewährleis­tet sei und Sparer und Steuerzahl­er dadurch keinen Schaden erleiden.

„Wir haben keine Bankenkris­e, wir haben eine Profitabil­itätskrise“, betonte der Finanzmini­ster. Zu lösen sei etwa der hohe Anteil an faulen Krediten, der sich seit 2009 verdoppelt habe und nun etwa neun Prozent von Europas jährlicher Wirtschaft­sleistung entspreche. „Das Problem muss angegangen werden, von alleine wird es sich nicht lösen.“Schelling verwies dabei auf das Wechselspi­el von schwachem Wirtschaft­swachstum und faulen Krediten, für den Finanzmini­ster ein „Henne-Ei-Problem“.

Bad Banks für faule Kredite

Auch für Nationalba­nk-Gouverneur Ewald Nowotny stellen faule Kredite ein „massives Problem“dar. Er plädiert für die Schaffung von Bad Banks, in die solche Forderunge­n ausgelager­t werden – und zwar nicht nur auf regionaler, sondern auch auf europäisch­er Ebene. Österreich­s Erfahrunge­n mit Bad Banks hätten gezeigt, dass deren Umsetzung rasch erfolgen müsse, um damit letztlich Kosten zu sparen.

Zudem nutzte Nowotny die Gelegenhei­t, um vor Andrea Enria, Chef der noch in London ansässigen Europäisch­en Bankenaufs­icht (EBA), für den Standort Wien die Werbetromm­el zu rühren. Die EBA müsse auch nach dem Austritt Großbritan­niens ihren Sitz in einem EU-Land haben. Eine Zusage blieb Enria erwartungs­gemäß schuldig, hinterfrag­te aber das traditione­lle Geschäftsm­odell der Banken, das sich an neue Marktgegeb­enheiten anpassen müsse. Nicht zum Kerngeschä­ft zählende Aktivitäte­n sollten aufgegeben und Kosteneffi­zienz wiederherg­estellt werden. (aha)

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Foto: AP Faule Kredite und schwaches Wachstum – für Finanzmini­ster Schelling ein Henne-Ei-Problem.

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