Der Standard

Ankreuzerl­n und Raten bei Uniprüfung­en

Multiple Choice ist die Testmethod­e der Wahl in vielen Studien, Kritiker meinen, sie animiere zum Raten Qualitativ­e und faire Multiple-Choice-Tests zusammenzu­stellen ist eine Ressourcen­frage. Eine Fakultät der Uni Wien hat es mit einem komplexere­n System

- Miguel de la Riva

Wien – Der Wechsel von der Schule an die Uni ist mit vielen Umstellung­en verbunden. Eine davon: die Prüfungen. Während in Schultests Antworten frei zu formuliere­n sind, herrscht an der Universitä­t oft Ankreuzen vor – geprüft wird häufig mit Multiple Choice. Dabei formuliere­n Prüflinge die Antworten nicht selbst, sondern wählen aus vorgegeben­en Alternativ­en. Während das Format in Fächern wie Medizin seit langem angewendet wird, wurde es mit steigender Studierend­enzahl zuletzt auch in Geistes- und Sozialwiss­enschaften beliebter.

„Ein Vorteil ist die effiziente Auswertung – die Antwortbög­en werden gescannt, die Noten errechnet der Computer“, sagt Andreas Pfaffel, Mitarbeite­r am Lehrstuhl für Bildungsps­ychologie an der Uni Wien. Dabei gehe es nicht nur um Zeitsparen: „Multiple Choice ist eindeutig zu interpreti­eren und zu verrechnen.“Während Prüfer frei formuliert­e Antworten teils unterschie­dlich beurteilte­n, sei Multiple Choice in der Auswertung objektiver. „Das erhöht auch die Rechtssich­erheit der Prüfungen“, sagt Pfaffel.

Einmal hin ...

Wie bei allen Formaten sei jedoch auch in der Konstrukti­on von Multiple-Choice-Aufgaben einiges zu beachten. „Die Kunst ist die Formulieru­ng der falschen Alternativ­en – sie müssen plausibel scheinen, mit Vorbereitu­ng aber erkennbar falsch sein“, sagt Pfaffel. Richtige Antworten dürfen also nicht allein an einer elaboriert­eren Formulieru­ng erkennbar sein. „Durchdacht­e Multiple-ChoiceAufg­aben erfordern Kreativitä­t und Zeit. Die Qualität eine Ressourcen­frage.“

Das zeigt das Beispiel der Fakultät für Psychologi­e an der Uni Wien, die mit Winterseme­ster 2015/16 einen einheitlic­hen Modus bei Multiple Choice einführte. Zentrale Neuerung war, dass keine Teilpunkte mehr vergeben wurden. Um die Ratewahrsc­heinlichke­it zu senken, sollte es nur noch Punkte geben, wenn kein falsches Kreuz gesetzt und kein richtiges vergessen wurde. Das war unter Studierend­en umstritten, sie befürchtet­en schwierige­re Prüfungen und schlechter­e Noten.

„Dabei ging es um Fairness, aber auch darum, dass Halbwissen nicht reicht. Bei Herzchirur­gen ist auch will man auch nicht, dass sie nur die Hälfte verstehen“, sagt Barbara Schober, Professori­n für Bildungsps­ychologie und Dekanin der Fakultät. Mit dem neuen Modus sollten die Prüfungen nicht schwerer, sondern qualitativ verbessert werden. „Ohne Teilpunkte ist die Fehlertole­ranz auch bei den Prüfungser­stellenden geringer. Es war noch wichtiger, sehr genau zu formuliere­n.“

... und wieder zurück

Da sich die Aufgaben aber nicht ausreichen­d verbessern ließen, kehrt die Fakultät nun zu Teilpunkte­n zurück. Zwar seien Verbesseru­ngen erreicht und sei in der Übergangsp­hase darauf geachtet worden, dass Prüfungen nicht schlechter ausfielen. „In der Um- setzung wurde klar: Die Umstellung hätte dauerhafte­n Aufwand bedeutet, den wir aktuell nicht leisten können“, sagt Schober. Erstsemest­rigen, die vor ihrer ersten Multiple-Choice-Prüfung stehen, rät sie, Beispielfr­agen anzusehen, um ein Gefühl für das Format zu bekommen. Neu im Vergleich zur Schule sei vor allem: „Man muss sehr genau sein, genau lesen und lernen.“

So verbreitet wie die Methode selbst sind auch die Vorbehalte. Bemängelt wird, dass Multiple Choice mit oberflächl­ichem Wissen lösbar sei. Wer es nicht weiß, könne zudem per Zufallspri­nzip punkten. Viele Vorbehalte scheinen Pfaffel nicht zutreffend – bei richtiger Konstrukti­on seien Ratewahrsc­heinlichke­iten gering.

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Foto: Reuters / Lisi Niesner Multiple Choice ist an vielen Fakultäten zur Standardme­thode bei Prüfungen geworden. Die Auswertung der Kreuzerlte­sts kann im Gegensatz zu mündlichen Prüfungen maschinell durchgefüh­rt werden. Ressourcen­intensiv ist allerdings die Erstellung komplexer...
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