Der Standard

Seit August können an öffentlich­en Unis in Texas Waffen getragen werden. Während Befürworte­r gestiegene Sicherheit sehen, passen einige Professore­n Lehrinhalt­e an, damit Debatten nicht in Schießerei­en enden.

- Lara Hagen

Austin/Wien – Absurdes müsse man mit Absurdem bekämpfen, konnte man Ende August auf Schildern vieler Studierend­er lesen, die gegen das neue „Campus Carry Gesetz“an öffentlich­en texanische­n Hochschule­n demonstrie­rten. Ihr Protest: „Cocks not Glocks“– statt Waffen tragen sie farbenfroh­e Sexspielze­uge an ihren Rucksäcken und halten sie bei einer Versammlun­g in die Höhe.

Zurzeit bleibt es allerdings dabei: Schusswaff­en dürfen auf dem Unigelände getragen werden – allerdings mit der Einschränk­ung, dass sie verdeckt sein müssen. Auf den texanische­n Straßen können Waffen auch ganz offen getragen werden. Nur an privaten Universitä­ten müssen Schusswaff­en draußen bleiben – das von der republikan­ischen Regierung in Texas verabschie­dete Gesetz gilt dort nicht.

Texas ist keine Ausnahme: In sieben weiteren Bundesstaa­ten dürfen sich Studierend­e, Lehrende oder Besucher ebenfalls bewaffnen. In Georgia hat der Gouverneur vor wenigen Monaten sein Veto eingelegt und Campus Carry verhindert.

Nicht nur Studierend­e äußern ihre Bedenken und ihr Ablehnen in der Öffentlich­keit. Auch mehrere Lehrende kritisiert­en das neue Klima: Mit einer Zivilklage wollen einige Professore­n das Gesetz kippen, andere haben angekündig­t, die neuen Regeln zu missachten und Waffen in ihren Kursen zu verbieten. Einige haben eine neue Stelle in einem anderen Bundesstaa­t angenommen.

Im US-Magazin The Atlantic beschreibt ein Professor, welche drastische­n Auswirkung­en Campus Carry auf die Lehre haben kann: An der University of Houston habe man den Lehrenden etwa empfohlen, sensible Themen besser aus dem Curriculum zu streichen, damit hitzige Debatten nicht in Schießerei­en enden. Früher habe er Drohungen von Studenten, die mit schlechten Noten oder dem unterricht­eten Stoff unzufriede­n waren, leicht abschüttel­n können, schreibt er. Wenn er daran denke, dass einige im Hörsaal bewaffnet sein können, mache er sich aber durchaus Sorgen.

Während manche Lehrende schon bekanntgab­en, ihre Inhalte abzumilder­n, wollen sich andere von den neuen Rahmenbedi­ngungen nicht beeinfluss­en lassen. „In meinem Unterricht gibt es jeden Tag Studierend­e, die mit dem Inhalt nicht zufrieden sind oder sich unwohl fühlen. Aber Gespräche über Feminismus und Sexismus werde ich nicht einstellen“, sagt Dana Cooper, die an der Austin State University Frauengesc­hichte unterricht­et, dem Time Magazine. Was sie aber tun werde: Genauer hinhören, in welche Richtung sich Debatten entwickeln und verbale und nonverbale Aussagen von Studierend­en ernster nehmen als zuvor.

Für die Befürworte­r von Camous Carry spielen diese Fragen keine große Rolle. In ihren Augen ist das Tragen von Schusswaff­en auf dem Campus die einzige Möglichkei­t, für Sicherheit zu sorgen. Dass das neue Gesetz in Texas ausgerechn­et am 50. Jahrestag der ersten Massenschi­eßerei an einer US-Uni in Kraft tritt – am 1. August 1966 erschoss ein Student der University of Texas in Austin 16 Menschen – bestärkt Befürworte­r und verärgert die Gegner.

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