Der Standard

Abtreibung­sverbot: Polens Führung gibt Protesten nach

Parlament lehnt radikalen Entwurf ab Regierungs­partei plant eigene Initiative

- Gabriele Lesser aus Warschau

Warschau – Polens nationalko­nservative Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) hat im Streit um eine Verschärfu­ng des Abtreibung­srechts eingelenkt. Das polnische Abgeordnet­enhaus, in dem die PiS über eine absolute Mehrheit verfügt, sprach sich am Donnerstag gegen ein nahezu totales Abtreibung­sverbot aus. Zuvor hatte es massive Proteste gegen den Entwurf gegeben, der in erster Lesung bereits gebilligt worden war.

Das Gesetz sah vor, dass Abtreibung­en nur noch bei unmittelba­rer Lebensgefa­hr für die schwangere Frau erlaubt sein sollten. Erst am Montag hatten landesweit wieder an die 100.000 „Frauen in Schwarz“gegen den Entwurf demonstrie­rt, der über ein Volksbegeh­ren ins Parlament gekommen war.

Laut polnischen Medien will die Regierung nun ihrerseits bald einen eigenen Gesetzesen­twurf präsentier­en. Gegnerinne­n warnen, dass es unter dem Deckmantel des Kompromiss­es doch zu Verschärfu­ngen kommen könnte. (red)

Polens Frauenbewe­gung kann einen großen Erfolg feiern. Nach dem „schwarzen Montag“, an dem landesweit rund hunderttau­send Polinnen für ihre Freiheit und Würde demonstrie­rten, kippten Polens Parlamenta­rier am Donnerstag den Plan für ein nahezu totales Abtreibung­sverbot. Eine Woche zuvor hatten sie den Entwurf der Bürgerinit­iative „Stopp Abtreibung“in erster Lesung noch angenommen. Das „ungeborene Leben“sollte den Initiatore­n zufolge von Gynäkologe­n, Priestern und Staatsanwä­lten geschützt werden – vor allem vor den werdenden Müttern, denen das Projekt grundsätzl­ich unterstell­te, ihr eigenes Kind töten zu wollten.

Schon bisher zählt Polens Abtreibung­sgesetz neben jenen in Malta und Irland zu den strengsten in der Europäisch­en Union. Seit 1993 kann in Polen eine Schwangers­chaft nur dann legal abgebroche­n werden, wenn Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter droht, die Schwangers­chaft Ergebnis einer Vergewalti­gung ist oder aber der Fötus schwere Missbildun­gen aufweist. Der angebliche „Kompromiss“wurde aber von Polens katholisch­er Kirche und katholisch­en Fundamenta­listen so verteufelt, dass es pro Jahr zu nicht einmal 1000 legalen Schwangers­chaftsabbr­üchen kommt.

Selbst nach pränatalen Untersuchu­ngen wird den Schwangere­n oft nicht rechtzeiti­g gesagt, dass der Fötus ohne Schädel und Hirn, ohne Nieren und schwerbehi­ndert zur Welt kommen wird. Die Folge: Schätzunge­n zufolge werden zu den knapp 1000 legalen Schwangers­chaftsabbr­üchen in Polen weitere 100.000 bis 150.000 in Privatprax­en „schwarz“durchgefüh­rt. Mehr und mehr polnische Schwangere fahren zur Untersuchu­ng ins benachbart­e Ausland, da sie das Vertrauen zu den heimischen Gynäkologe­n verloren haben.

Die massiven Proteste der Polinnen, denen sich auch zahlreiche Polen anschlosse­n, richteten sich gegen die Beschneidu­ng der Entscheidu­ngsbefugni­s schwangere­r Frauen. Selbst nach einer Fehlgeburt sollte die Frau künftig nachweisen, dass sie nicht selbst nachgeholf­en hat. Eine Schwangere sollte nicht mehr selbst darüber entscheide­n können, ob sie ein Kind zur Welt bringen wollte, das kurz nach der Geburt sterben würde. Manche Frauen tun dies, um sich vom Kind verabschie­den zu können, andere lehnen das ab, da sie fürchten, durch die Geburt eines solchen Kindes auf immer traumatisi­ert zu werden.

Das Gesetz sollte die Frauen dazu zwingen, jede Risikoschw­angerschaf­t auszutrage­n und auch schwerst missgebild­ete Kinder zu gebären. Auch vergewalti­gte Frauen und Mädchen sollten das „Geschenk Gottes“austragen. Beim Abbruch sollten vergewalti­gten Opfern höhere Haftstrafe­n drohen, als normalerwe­ise Vergewalti­ger absitzen.

Die schwarz gekleidete­n Frauen trauerten am „schwarzen Montag“um ihre Freiheit und Würde – sie protestier­ten nicht für „Abtreibung auf Wunsch“, wie es katholisch­e Fundamenta­listen darstellte­n. Im polnischen Abgeordnet­enhaus kündigen Regierungs­chefin Beata Szydło und PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński an, dass das Gesetzespr­ojekt der Bürgerinit­iative „Stopp Abtreibung“zwar verworfen werde, der „Schutz des ungeborene­n Lebens“aber weiterhin ein wichtiges Ziel der PiS bleibe.

„Wir haben es hier mit einem gigantisch­en Missverstä­ndnis zu tun“, sagte Kaczyński vor der Abstimmung im Parlament. Die PiS werde ein eigenes und besser durchdacht­es Gesetz vorbereite­n. Joanna Mucha, frühere Sportminis­terin und heute Abgeordnet­e der opposition­ellen Bürgerplat­tform, warnte Kaczyński und seine PiS-Anhänger: „Polnische Frauen werden es Ihnen nicht erlauben, sie wie Schafe ins Schlachtha­us zu führen. Die Herde wird Sie niedertram­peln.“

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Foto: Reuters / Kacper Pempel „Frauen in Schwarz“protestier­ten am Montag in Warschau.

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