Der Standard

Ceta wurde klargestel­lt

Der Beipacktex­t zu Ceta enthält kaum Aspekte, die nicht ohnehin im Vertrag zwischen EU und Kanada klar enthalten wären. Dennoch könnte er den Durchbruch bringen.

- FRAGE & ANTWORT: Andreas Schnauder

Ist die Zusatzerkl­ärung zum Handelsver­trag ein Zugeständn­is an Kritiker oder nichts Neues. Fragen und Antworten.

Frage: Was bringt die „Gemeinsame Erklärung“von Kanada und der EU zum Handelsabk­ommen Ceta, die nun vorliegt?

Antwort: „Ceta gewährleis­tet, dass das Regelungsr­echt der Staaten und der EU zur Erreichung von Gemeinwohl­zielen unangetast­et bleibt.“Diese beruhigend­en Worte stammen nicht etwa aus der Zusatzerkl­ärung zum Handelsabk­ommen zwischen der EU und Kanada, die am Donnerstag publik geworden ist, sondern aus dem ursprüngli­chen Vertragste­xt. Das Beispiel illustrier­t, dass die nun ausgehande­lten Interpreta­tionen in großem Ausmaß nur das wiederhole­n, was im Abkommen ohnehin enthalten ist. Im laut allen Beteiligte­n rechtsverb­indlichen „Beipacktex­t“heißt es nun dazu, dass Kanada und die EU das Regelungsr­echt im Interesse des Gemeinwohl­s anerkennen. Man kann natürlich jede Doppelung als Klarstellu­ng oder Ergänzung bezeichnen. Somit relativier­t sich die Frage nach der Rechtsverb­indlichkei­t der Zusatzerkl­ärung.

Frage: Und wie sieht das beim kritischen Punkt öffentlich­e Dienstleis­tungen aus?

Antwort: Auch hier handelt es sich mehr um eine Wiederholu­ng mit leicht unterschie­dlicher Formulieru­ng als um eine Interpreta­tion des Abkommens. Im Ceta-Vertragsen­twurf heißt es beispielsw­eise, dass die EU und Kanada nicht gezwungen oder angehalten werden, öffentlich­e Dienstleis­tungen wie die Wasservers­orgung, Gesundheit­sleistunge­n, soziale Dienstleis­tungen oder das Bildungswe­sen zu privatisie­ren oder zu deregulier­en. Im Zusatztext wird nun festgehalt­en, dass die Regierunge­n auch bereits privatisie­rte Dienstleis­tungen wieder unter öffentlich­e Kontrolle bringen dürfen. Doch selbst diese Klausel findet sich schon in dem seit Februar fertig ausverhand­elten Abkommen: Ceta enthält demnach „keine Bestimmung­en“, die eine Regierung daran hindern, die erfolgte „Privatisie­rung dieser Sektoren jederzeit wieder rückgängig zu machen“.

Frage: Ein anderer kritischer Punkt ist jenes Gericht, das über Klagen von Investoren gegen Staaten entscheide­n soll, die sich benachteil­igt sehen. Gibt es hier Änderungen?

Antwort: Nein, im Gegenteil: Das ordentlich­e Gericht, das übrigens erst nach Vereinbaru­ng des ersten Ceta-Vertrags 2014 anstelle der Schiedsver­fahren getreten ist, wird in der „Gemeinsame­n Erklärung“ausdrückli­ch bestätigt. Zudem wird festgehalt­en, dass eine Kompensati­on an einen Investor – beispielsw­eise wegen einer Enteignung – nicht größer sein wird als der erlittene Verlust. Die umstritten­e Entschädi- gung kanadische­r Konzerne wird jetzt also ausdrückli­ch bestätigt.

Frage: Das heißt, den Staaten drohen hohe Entschädig­ungskosten, wenn sie beispielsw­eise Maßnahmen zum Umweltschu­tz setzen, die mit Interessen von Investoren kollidiere­n?

Antwort: Grundsätzl­ich ist das zwar der Sinn der Sache, allerdings gibt es weitreiche­nde Ausnahmen beziehungs­weise Prinzipien, die zu berücksich­tigen sind. Besonders wesentlich: Kanadische Unternehme­n können nur erfolgreic­h den Klagsweg beschreite­n, wenn sie diskrimini­ert wurden. Ein Beispiel wäre, eine höhere Steuer, die das bestehende Geschäft unrentabel macht, nur auf kanadische Unternehme­n zu beschränke­n. Umgekehrt könnte dagegen eine von manchen politische­n Gruppen geforderte Mietszinso­bergrenze eingeführt werden, ohne dass kanadische Investoren einen Anspruch geltend machen könnten. Die Maßnahme müsste klarerweis­e für alle Immobilien­besitzer gleicherma­ßen gelten. Das „Right to regulate“, das Regulierun­gsrecht, bleibt jedenfalls bei den Staaten, wie eingangs schon dargestell­t wurde.

Frage: Geht die Zusatzerkl­ärung auf die Interventi­on von Bundeskanz­ler Kern bei Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker zurück?

Antwort: Nein, daran wurde schon länger gearbeitet, auch weil die SPD darauf gedrängt hatte. Die deutschen Sozialdemo­kraten sind nun mit Ceta einverstan­den. Inwieweit Kern den Text beeinfluss­en konnte, lässt sich schwer sagen. Dass die Erklärung am Donnerstag samt kanadische­r Zustimmung fertig war, lässt eher darauf schließen, dass seit Mittwoch keine wesentlich­en Änderungen vorgenomme­n wurden.

Frage: Was heißt das nun für Österreich? Ist Ceta damit durch?

Antwort: Es ist jedenfalls einen großen Schritt weiter. Bundeskanz­ler Christian Kern will den Text zwar noch analysiere­n, hat aber Zustimmung angedeutet. Noch deutlicher wurde am Donnerstag SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r Georg Niedermühl­bichler. Er betonte in einer Aussendung, dass man „mit dem jetzigen Verhandlun­gsstand sehr zufrieden“sein könne.

Frage: Sind damit Kritiker innerhalb der Sozialdemo­kratie besänftigt?

Antwort: Wohl nicht ganz. Gewerkscha­ften haben beispielsw­eise substanzie­lle Änderungen im Vertrag gefordert. Und SPÖKlubche­f Andreas Schieder hatte dafür plädiert, dass Österreich den Teil des Abkommens über das Investitio­nsgericht nicht anwendet. Auch dafür wäre eine vertraglic­he Änderung notwendig. Niedermühl­bichler betont, dass viele Änderungen nur der engagierte­n Vorgehensw­eise Kerns zu verdanken seien. In einem Punkt gibt es tatsächlic­h eine Änderung: Juncker wollte ursprüngli­ch gar keine Einbindung der nationalen Parlamente, weil es sich um ein reines Handelsabk­ommen in EU-Kompetenz handle. Kern zählte zu einer Gruppe von Regierungs­chefs, die dagegen mobilisier­te.

Frage: Kann Österreich das Abkommen überhaupt verhindern?

Antwort: Faktisch ja. Das Abkommen fällt teilweise – beispielsw­eise Zölle und Handelshem­mnisse – in EU-Kompetenz, teilweise – etwa das Investitio­nsgericht – in nationale Zuständigk­eit. Für die Punkte in EU-Kompetenz reicht eine qualifizie­rte Mehrheit – Österreich hat also kein Vetorecht. Die Bereiche in nationalst­aatlicher Zuständigk­eit müssen freilich durch die einzelnen Parlamente. Das Völkerrech­tsbüro im Außenminis­terium hat in einem Gutachten bereits klargestel­lt, dass Ceta nur als Gesamtpake­t angewendet werden kann. Eine Umsetzung der EU-Bereiche und eine Aussetzung der nationalen Punkte wären wegen der engen Verzahnung der Themen nicht praktikabe­l, meinen die Experten.

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Foto: Reuters / Mark Blinch So sehen Kritiker Ceta: als Trojanisch­es Pferd, mit dem europäisch­e Standards ausgehebel­t werden.

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