Der Standard

Eine „Mutter der Nation“für die Bulgaren

Präsidente­nwahlen: Konservati­ve Regierungs­politikeri­n gegen linken Ex- General

- Markus Bernath

Sofia/Athen – Der Ruf des genderbewu­ssten modernen Mannes eilt ihm nicht voraus, doch jetzt wirft sich Boiko Borissow ins Zeug. Nach der Nominierun­g der bulgarisch­en Unesco-Direktorin Irina Bokowa für das Amt der nächsten UN-Generalsek­retärin und ihrer folgenden Ersetzung durch die – am Ende ebenfalls erfolglose – EUKommissa­rin Kristalina Georgiewa präsentier­te Bulgariens Regierungs­chef nun eine weitere Politikeri­n als Kandidatin – dieses Mal für das Amt des Staatspräs­identen im Balkanland: Tsetska Tsaschewa, die 58-jährige derzeitige Parlaments­präsidenti­n, soll an die Staatsspit­ze. Es sei endlich Zeit für eine „Mutter der Nation“, erklärte Borissow.

Der ehemalige Ringer und Sicherheit­smann Borissow ist bekannt für seinen paternalis­tischen Stil. In einem Monat, am 6. November, wird gewählt. Damit die Bulgaren gleich wissen, woran sie sind, hat Borissow gewarnt: Gewinnt Tsaschewa nicht, dann tritt er zurück und provoziert auch gleich Parlaments­neuwahlen.

Wie das Rennen ausgeht, ist allerdings nicht so klar. Borissow und die Führung seiner Partei Gerb (Bürger für eine europäisch­e Entwicklun­g Bulgariens) zögerten lange mit der Benennung eines Kandidaten für das Präsidente­namt. Erst kurz vor Ende der Nominierun­gsfrist am Dienstag fiel die Wahl auf Tsaschewa, eine Juristin, die vor der Wende 1989 Mitglied der kommunisti­schen Partei war und als effiziente Exekutorin von Borissows Politik bekannt ist.

Tsaschewa hat zwei Dutzend Herausford­erer, die ihr einen Sieg noch in der ersten Runde praktisch unmöglich machen. Unter den Gegnern ist erstmals ein gemeinsame­r Kandidat der rechtsgeri­chteten Parteien Ataka und Patriotisc­he Front; Letztere hat Kabinettsp­osten.

Die opposition­ellen Sozialiste­n bieten einen General auf, den bisherigen Chef der Luftwaffe, Rumen Radew. Das gilt als kluger Schachzug, denn die Armee ist eine der we- nigen Institutio­nen, denen die Bulgaren vertrauen. Parlamenta­rier und Präsident dagegen sind verpönt. Sie gelten dem Volk als Geschäftem­acher oder nur von Parteiinte­ressen getrieben.

Keine der beiden größeren Parteien – Borissows Gerb ebenso wenig wie die Sozialiste­n der BSP – seien in der Lage, ihren Kandidaten allein durchzuset­zen, erklärt die Wahlforsch­erin Marcella Abraschewa von Gallup Internatio­nal in Sofia. „Das eigentlich­e Problem ist, Wähler außerhalb der eigenen Parteilage­r zu mobilisier­en“, sagt Abraschewa. Sie weist auf das diffuse Bild hin, das Borissow im stark zersplitte­rten Parlament mit seiner Minderheit­sregierung abgibt.

Dass die Mehrheit der Wähler der ausgewiese­nen Parteipoli­tikerin Tsaschewa die Stimme gibt, ist deshalb nicht ausgemacht. Der „General“aber ist politisch unerfahren. Radew kämpft mit seiner neuen Rolle.

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Foto: MEP CSEE Tsetska Tsaschewa ist Favoritin von Premier Borsissow.

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