Der Standard

Orbán rudert sanft zurück

Ungarns Premier ändert seinen Gesetzespl­an

- Gregor Mayer aus Budapest

Nach der Volksabsti­mmung über die EU-Flüchtling­squoten kündigte Ungarns Premier Viktor Orbán zunächst die Fortsetzun­g seines Kampfes gegen die „Brüsseler Bürokratie“an. Doch die bisher bekannt gewordenen Verfassung­sänderunge­n, mit denen er das „großartige Ergebnis“des Votums festschrei­ben will, deuten eher an: Der Premier rudert zurück.

Die genaue Formulieru­ng der geplanten Verfassung­sänderung ist offenbar noch Gegenstand von Abstimmung­en mit der rechtsextr­emen Jobbik-Partei, deren Stimmen Orbán braucht, weil er keine eigene Zweidritte­lmehrheit im Parlament hat. Eine von ihm als zentral bezeichnet­e Passage erwähnte er aber bei einer Pressekonf­erenz am Dienstag: Demnach werden „kollektive Ansiedlung­en“von Nicht-EU-Ausländern in Ungarn „verboten“sein. Diese könnten nur aufgrund „individuel­ler Gesuche“, angesiedel­t werden.

Der Clou: Die bisherigen Quoten-Beschlüsse der EU und die vorliegend­en Vorschläge der EU- Kommission haben keine „Ansiedlung“von Flüchtling­en zum Gegenstand. Sie sehen vielmehr eine gleichmäßi­gere Verteilung von Asylbewerb­ern vor. Die angestrebt­e Zuteilung bedeutet gerade deshalb keine „Ansiedlung“, weil dann diese Länder überhaupt erst die Asylverfah­ren durchführe­n. Sie entscheide­n also selbst gemäß ihrer eigenen Gesetze, wessen Asylgesuch sie annehmen und wen sie damit mit einem Aufenthalt­srecht ausstatten – so, wie es jetzt Orbán in die ungarische Verfassung hineinschr­eiben will.

Sinn und Unsinn des Votums

Den Begriff „verpflicht­ende Ansiedlung“gab es bereits in der Referendum­sfrage. Kritiker hatten deshalb darauf hingewiese­n, dass die Frage, deren Beantwortu­ng der Regierung 40 Millionen Euro Kampagnenk­osten wert war, nicht sinnvoll zu beantworte­n sei. Das Referendum war schließlic­h ungültig, weil nur 40 statt der vorgeschri­ebenen 50 Prozent der Wahlberech­tigten eine gültige Stimme abgaben. Von diesen sagten freilich 98 Prozent Nein zur virtuellen „Ansiedlung“.

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